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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0603

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Zerbst.

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viel mehr arbeit gehabt, namentlich in den Sterbenszeiten von 1576, 1577, 1578, 1582, 1584, da
das predig ampt freilich nicht auf rosen gehet. Anno 1566, da fast uberall in diesen landen
die schwere seuche grassiret und uber 6000 menschen in dieser stadt allein weggereumet wurden,
oft in einer wochen über 300 menschen daran gestorben, ist auch damals mit weggeraffet
Johannes Reusner und Johann Trebelius, beide diacon zu St. Nikolaus, deren einer gemelter
Rothe succediret. Er ist der erste gewesen, der in der kirchen zu S. Niclas den exorcismum
hat fallen lassen, als ein liebhaber der wahrheit, stehet in der gedachten leichenpredigt (das
es aber auf verordnung der obrigkeit geschehen, wird nicht gemeldt)“. Damit schliesst der
Auszug.
2. Die Stadt erfreute sich einer grösseren Selbständigkeit als andere Städte im Lande.
In welchem Maasse diese vom Fürsten anerkannt wurde, zeigt der Umstand, dass derselbe mit
dem Rathe zu Zerbst eine Abmachung über einige Fragen des Eherechts traf; wenn dabei auch
natürlich die Meinung des Landesherrn die durchschlagende war und die Abmachung auch
vom Landesherrn publicirt wurde, so ist doch nicht zu übersehen, dass die Artikel ausdrück-
lich als „Verdracht“ oder „Articuli senatus et principum de matrimonio“ vom Superintendenten
bezeichnet werden. (Vgl. oben S. 512 und den Abdruck Nr. 122.)
Als Fürst Bernhard III. einige Verbesserungen im Cultus anbringen bezw. die Kirchen-
Ordnung Georg’s wieder beleben wollte, verglich er sich erst mit dem Bürgermeister und den
Rathmannen der Stadt, und diese letzteren wiederum paktirten mit den Superintendenten,
Pfarrern und Caplänen, und dann wurde die Ordnung als Landes-Ordnung 1568 publicirt.
Die Berufung der Pfarrer erfolgte in Anhalt zumeist ohne Betheiligung der Gemeinden
durch den Landesherrn. Vgl. oben S. 520, 525. Der Rath zu Zerbst besass hier Sonderrechte.
Wir erfahren aus Zerbst, Superintendentur-Archiv, XXVIII, Bl. 56 ff., dass die Fürsten
Johann, Joachim und Georg dem Rathe das jus vocandi in der Kirche zu St. Nikolaus „doch
mit gewisser masse“ zugestanden hatten, dass der Rath aber „dessen sich wider gebühr gebraucht“
habe. In Folge dessen habe der Rath am 31. März 1571 einen Revers unterschreiben müssen:
„Wir bürgermeister, rathmannen der stadt Zerbst .... versichern in kraft dieses unseres
reverses, dass hinfüro wir mit vocirung eines pfarrers ordentlich wollen verfahren, dergestalt,
dass die pfarrer mit der ganzen gemeinen vorwissen und derselbigen gewönlichen versamlung
vociret werden und fur allen dingen, ehe derselbige angenommen und .... mit ihm in icht was
einlassen, unserm landesfürsten durch uns selbst präsentirt und gnedige confirmation unter-
thänige ersuchung geschehen solle, die alsdenn auch nach beschehener gnädigen confirmation
den confirmirten pfarrer darauf durch den herrn superintendenten allhier gebürlichen in-
vestiren lassen.“
Dieser Revers findet sich auch im Superintendentur-Archiv Nr. V und ist daraus wört-
lich von Becker, Die ersten Ordinationen für die evangelische Kirche Anhalts, 1538—1578,
in: Mittheilungen des Vereins für anhaltische Geschichte und Alterthumskunde, Bd. VII (Dessau
1895), S. 565 abgedruckt.
Im Jahre 1572 entstanden wieder Schwierigkeiten in Betreff der Besetzung der Diaconen-
stellen, und zwar dieses Mal zwischen dem Rath und dem Superintendenten. Man erledigte
dieselben durch einen Vergleich und regelte dabei zugleich die Frage der Besetzung der Schul-
stellen, sowie die Stellung der Schule zum Superintendenten und Ähnliches. Diese Abmachung
zwischen dem Rathe und dem Superintendenten Ulrich wurde vom Landesherrn am 5. Juni 1572
bestätigt. Wir finden sie zweimal im Superintendentur-Archiv zu Zerbst, XVIII, 131 ff. und
XXIX, 451 ff. Nach letzterem Exemplare drucken wir sie ab. (Nr. 135.)
3. Zweifelhafte Punkte und Streitigkeiten erledigten die Geistlichen zu Zerbst mit
Vorliebe durch Vergleiche. Diese wurden dann als solche formulirt und aufgezeichnet. Zwei
solcher Abmachungen, oder, wie sie Fabricius in seiner Zusammenstellung nennt, „Verdracht-
 
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