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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0082

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62 Die Kirchenordnungen.
So sage der pfarherr also:
Lieber freund, weissest du auch die zehen
gebot und was gott in denselbigen von allen
menschen fordert, das sie thun und lassen sollen.
Antwort das beichtkind:
Mein herr, ich kann ir leider nicht (wie denn
anhere nicht viel sich damit bekümert haben).
So sage der beichtvater ferner:
Lieber freund, weil du die zehen gebot nicht
weissest, so ists gewis, das du sie viel weniger
gehalten hast, solchs aber ist die grösseste sunde,
die ein mensch thun mag, so gar nichts nach gott
fragen, das du zwenzig, dreissig oder vierzig etc.
jar dahin gehest, gebrauchest teglich so vieler
gottesgaben und güter und lessest dir geben leib,
seele, sinne, vernunft, essen, trinken und alle
notturft, ja lessest dir seinen lieben son dienen
mit seinem leiden und tod zu deiner erlösung und
seligkeit, lessest dir davon alle tage predigen und
gehest gleichwol so dahin, das du nicht ein mal
denkest noch darnach fragest, was du doch dem
lieben barmherzigen gott zu lob, dank und dienst
fur solche grosse und manchfaltige wolthat auch
schuldig und pflichtig seiest. Denn da mus ge-
wislich der teufel allen seinen willen haben und
dein herz, das so gar nichts von gott weis noch
lernen wil, mit gewalt treiben und reissen imer-
dar von einer sunden zu der andern. Darum
denke, wenn du itzund sterben soltest, das du
solche greuliche verachtung gottes und seins
heiligen worts fur seinem gestrengen gericht nimer
mehr würdest verantworten können, sondern
mussest darinnen verzweifeln und ewiglich ver-
loren sein.
Und weil dir aber unser lieber gott dein
leben fristet, so denke, das du dir solche greuliche
sunde lessest herzlich leid sein, bittest gott um
vergebung und gnad, thust deinen fleis auch dabei,
sein heiliges wort und evangelium mit ernst und
andacht zuhören und lernen, darnach auch zu
leben und from zu sein etc.
Auf solche weiss mag man die, so von gottes
wort gar nicht wissen und in einem so gar bösen
rohen leben hingangen sind, erinnern, wenn sie
zur beicht komen, damit sie auch zu erkentnis
irer sunden gebracht werden und ein gewissen
erkriegen; denn wo die sunde nicht erkand und
das gewissen nicht gerürt wird, da achtet man
auch Christum nichts, denket nicht, das das evan-
gelium ein so theur edler schatz, ein solch selig
gnadenwort, alles heils und ein solch (wie es
Paulus nennet) gewisser reicher ewiger trost sei,
auch mitten im tode.
Wenn aber den leuten ire sunde dermassen
offenbaret sein oder sonst on sonderliche erinne-
rung des beichtvatersfur sich selbst komen und

Die Mark Brandenburg.
sich fur arme sünder bekennen und aus gottes
wort unterricht und trost begeren, damit sie der
sunden los werden mögen, die sol man ungefer-
lich auf solche weise unterrichten und trösten.
Lieber freund, das du dich fur ein armen
sünder erkennest, das ist gut und ein gewisses
zeichen, das du noch ein gnedigen gott hast.
Denn wo man die sunde nicht erkennet, kein reu
noch leid darüber hat, das ist ein bös zeichen
und zu besorgen, das der teufel die herzen gar
besessen und verstocket habe. Darum solt du es
gewislich dafur halten, das du deine sunden also
erkennest, darüber reu und leid hast und der-
selbigen los zu werden begerest, solchs sei ein
sonderliche grosse gnad gottes und werk des
heiligen geistes, dafur du gott, dem herrn, zu
danken schuldig bist. Viel mehr aber solt du gott,
dem herrn, dafur danken, das er dich in deinen
sunden, reu und leid nicht gar verzweifeln lest,
sondern dir so gnedig ist, das er dich leret, bei
seinem heiligen evangelio trost und vergebung
suchen.
Auf das du aber solcher gnaden so viel dester-
gewisser und sicherer sein magst, wil ich dir auch
das wort der absolution mitteilen, dadurch die
gnad, so sonst durch die offentliche predigt des,
evangelii aller welt in gemein gepredigt wird, dir
fur dein person in sonderheit verheissen und diese
stund gegeben wird, und mein lieber freund, dis
wort der absolution, so ich auf gottes verheissung
dir mitteile, solt du achten, als ob dir gott durch
ein stimme vom himel gnad und vergebung deiner
sunde zusagt und solt gott herzlich danken, der
solchen gewalt der kirchen und den christen auf
erden gegeben hat.
Nach solcher unterricht, so er die
absolution begeret, so sprech er mit
auflegung der hende zu im wie folget:
Form der absolution.
Der allmechtig gott und vater unsers herrn
Jesu Christ wil dir gnedig und barmherzig sein,
und wil dir alle deine sunde vergeben um des
willen, das sein lieber son Jesus Christus dafur
gelitten hat und gestorben ist und im namen des-
selbigen unsers herrn .Jesu Christi, auf seinen
befelch und in kraft seiner wort, da er sagt:
welchen ir die sunde erlasset, den sind sie er-
lassen etc., spreche ich dich aller deiner sunden
frei, ledig und los, das sie dir alzumal, sollen
vergeben sein, so reichlich und volkomen, als
Jesus Christus dasselbige durch sein leiden und
sterben verdienet und durchs evangelium in alle
welt zu predigen befohlen und dieser tröstlichen
zusage, die ich dir itzt im namen des herrn
Christi gethan, der wollest dich tröstlich annemen,
dein gewissen darauf zufrieden stellen und festig-
 
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