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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0131

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Visitations- und Consistorialordnung von 1573.

111

Derhalben sollen die pfarrer fürnemlich an
bücher haben: die bibel deutsch und lateinisch,
die kirchen- und hauspostill doctoris Martini
Lutheri, desselbigen catechismum und unsere
christliche kirchenordnung, auch, do sie des ver-
mügens, die ganzen opera Lutheri, Augustini und
anderer christlichen und unverfelschten theologen
bücher mehr, aber sich vor aller falschen lehrer,
schrifte und bücher, das sie dardurch nicht in
verführische irrthum geleitet werden mögen, mit
allem fleisse hüten.
Weiter sollen die pfarrer das volk und sonder-
lich die jugend zu fleissigem anhören göttliches
worts und zu ofter empfahung des heiligen hoch-
wirdigen sacraments unsers einigen erlösers und
seligmachers Jesu Christi leibs und bluts treulich
und fleissig vermahnen, dasselbe auch nicht anders
dann in beider gestalt, wie es der sohn gottes
selbst eingesatzt, reichen, desgleichen sich sonst
neben den caplenen , schulmeistern, küstern und
andern kirchendienern mit den ceremonien und
andern kirchen gezierden unserer christlichen
kirchenordnung genzlich verhalten.
Es sollen auch die pfarrer, beide in stedten
und dörfern, das amt nicht anders, dann wie
unsere christliche kirchenordnung vermag, halten,
und die evangelia und episteln des sontags oder
festtage fleissig predigen, auch das volk vor und
nach den predigten christliche deutsche psalmen
de tempore und sonst nach gelegenheit der zeit
singen lassen und dann das amt, wenn communi-
canten sein, durchaus ordentlich halten, do aber
keine verhanden, soll es nach der predigt inhalt
unser kirchenordnung gehalten werden.
Also sollen sie auch in stedten und dörfern
die woche einmal neben andern predigten den
catechismum dem jungen und unverstendigen volke
aufs treulichste und einfeltigste fürtragen, auch
sie zu zeiten darinne examinieren und, wo sie es
ja so balde nicht begreifen könten, nicht ubel
anfahren oder von solcher verhör abschrecken,
sondern sie gelinde und freundlich sich zu bessern,
weiter unterweisen mit erzelung, das sie dadurch
gott recht lernen erkennen, der sie auch auf
solchs erkandnus endlich selig machen werde.
Könten aber die jugend und gesinde wegen
ihrer arbeit und diensts an den werkeltagen in
die kirche nicht kommen, sollen die pfarrer,
sonderlich auf den dörfern und in kleinen flecken,
den catechismum des sontags nach mittage predi-
gen und sie unterweilen, was sie davon behalten,
recitirn und aufsagen lassen, auf das sie also in
den fürnemsten stücken christlicher lehre zu-
nehmen mögen. Bei denen sie aber keine besse-
rung finden, sollen sie aufzeichnen und solches
samt andern gebrechen dem superintendenten uber-
schicken.

So sollen auch die pfarrer die hausveter
treulich vermahnen, das sie ire söhne und töchter
fleissig zur kirchen und schulen halten, darinnen
sie den catechismum, auch die christliche psalmen
lernen und dem gesinde im hause wider fürlesen
und singen können.
Es erfordert auch in allewege der pfarrer
beruf und amt, das sie in den hospitalen und
siechenheusern oftmals predigen, alldo und sonst
in heusern die kranken, betrübten und bekümmer-
ten christen in stedten und dörfern, sonderlich
aber in pestilenz und sterblichen zeiten besuchen,
sie in der beicht und sonst mit gottes wort trösten,
unterrichten, sterken und zu christlicher gedult
und hoffnung gnediger erlösung vermahnen, auch
mit dem hochwirdigen sacrament versehen. Und
hierzu sollen die pfarrer nicht alleine auf der
geengsten oder betrübten leuten begeren, sondern
vor sich selbst willig und unverdrossen, auch den
armen sowol als den reichen dissfalls bereit sein,
dann sonst würde gott, der allmechtige, wegen
ihrer lessigkeit das blut von ihren henden, als den
wechtern, fordern.
Und daneben sollen sie mit fleisse achtung
geben, wie die arme leute, beide in heusern und
hospitalen, mit speise, trank, halbieren und
anderer wartung versorget werden, und do sie bei
ihnen in dem mengel spüren würden, sollen sie
solchs dem rathe, auch den vorstehern der hospi-
tale und gemeinen kasten, auf den dörfern aber
den junkern, schulzen, kirchvetern und gemeinen
bauren vermelden, ihnen gebührliche hülfe und
rath zu schaffen.
Zudem findet man viel redlicher leute und
hausarmen, die ihre notdurft in solchen krank-
heiten und gebrechen niemands klagen dörfen und
doch grossen mangel leiden. Sollen derowegen die
pfarrer die reichen und wolhabenden leute an-
sprechen und christlich vermanen, das sie solchen
armen an gelde, speise und sonst behülflich und
tröstlich sein, weil dis eben das werk, darbei man
die christen am meisten erkennet, ist.
Auch das volk auf der canzel erinnern, das
sie den armen leuten in krankheiten und sonst
gerne hülfe thun und darzu williglich in den ge-
meinen kasten einlegen, darauf die pfarrer dann
mit fleisse sehen sollen, das solchs unter die armen
nicht nach gunst, sondern nach eins jeden not-
turft ausgetheilt, das auch sonst mit der kirche
und des kastens einkommen nicht eigener nutz
gesucht, sondern zu beforderung und unterhaltung
der kirchendiener und gebeude gewand, und do
so viel vorhanden oder von jare zu jare erobert,
die tomi Lutheri in die kirchen gezeuget werden.
Sonderlich aber sollen die pfarrer und pre-
diger mit sonderm fleisse vermahnen, dass das
hochwirdige sacrament der heiligen taufe mit
 
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