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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0133

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Visitations- und Consistorialordnung von 1573.

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sich in frömde hendel mengen und einen fuss
aufm predigstul, den andern aufm rathause haben
wollen.
Vielweniger sollen sie jachzornig sein oder
sich selbst mit der faust vertheidigen, sondern,
wenn sie gehasset, beschediget oder mit worten
beleidiget werden, gerne vergeben und die ver-
brecher mit dem worte gottes strafen und schrecken.
Nachdem auch das vollsaufen ein wurzel alles
bösen ist, stehet den pfarrern wol an, das sie fein
nüchter und messig leben, so können sie zu allen
dingen geschickt sein und ihre amt mit besserm
fleiss und segen ausrichten.
Also sollen sie auch nicht eigensinnige
verwirrte köpfe sein und in regierung der
kirchen und zweifelhaftigen sachen ihres super-
intendenten oder der benachtbarten pfarrer und
prediger rath leben, dann die einmütigkeit der
kirchen grossen nutz und gottes segen bringet.
Und wenn sie mit ihren mitgehülfen oder
andern pfarrern und geistlichen sachen, reden
oder rathschlagen, sollen sie nicht alleine auf ihrem
wahn und meinung bestehen, sondern der andern
meinung und gedanken auch hören und denen
folgen, die aus grund der schrift das beste vor-
bringen, derwegen sie auch auf des superinten-
denten erfordern ad synodum oder sonst gehor-
samlich erscheinen und alldo derselben und anderer
gelerten benachtbarten pfarrer meinung und fir-
miora argumenta in rebus dubiis et perplexis
hören und denselben folgen sollen.
Die pfarrer sollen auch nicht wucherer, geizig,
noch keine kremer, handler oder bierschenken
sein, sintemal ein geiziger oder hendler, weil er
die gedanken aufs gut zu vermehren hat, seines
studierens und predigens mit ernst und fleiss
nicht warten kan, sollen derwegen mit ihren sti-
pendiis zufrieden, und da die gleichwol etwas
geringe sein, gott um hülfe und das tegliche brod
bitten, der wird sie, desgleichen ihre weiber und
kinder, sonder zweifel, wie er andern gott-
fürchtigen frommen kirchendienern und treuen
predigern, die sein wort lauter und rein gepredigt
und ihres berufs mit fleiss gewartet, allwege ge-
than, mit allerlei dieses lebens notturft gnediglich
versehen.
Doch wird gleichwol hierdurch den pfarrern
nicht verboten, das sie bei ihrem leben ire weiber
und kinder mit wohnungen und gütern, so es
mit gott und eheren geschehen kan, versorgen,
auf das sie auf ihr absterben unterhaltung haben
mögen.
So gebühret auch den pfarrer, ire weiber,
kinder und gesinde in aller gottesfurcht und er-
barn sitten dermassen aufzuziehen, das sie in dem
andern nachzufolgen, christliche anleitung geben,
und do sie es nicht thun und hierinnen seumig
Sehling, Die Kirchenordnungen. III.

oder lessig sein würden, sollen sie ihres amts
dadurch privirt sein, in erwegung, das diejenigen,
so die iren ubel ziehen, die andern nicht wol
unterweisen oder lehren können.
Sie sollen auch iren superintendenten, als
ihrem obern, gehorsam sein und den in allen
ehren halten, inen nicht verkleinern, vielweniger
wider dem practicirn oder rotten und parteien
anrichten, noch jemands wider ihnen verbittern
oder verhetzen.
Und weil die patronen und collatores, welche
die pfarrer zu vocirn und praesentirn, dieselben
aus erheblichen ursachen auch widerum zu ent-
urlauben, hergebracht haben, soll es dabei noch-
mals gelassen werden. Würde sich aber ein
pfarrer beklagen, das er damit wider gebühr be-
schwert, dem soll auf sein ansuchen von unserm
consistorio vorbescheid mitgetheilt und nach not-
türftiger verhör und erköndigung derwegen gebühr-
lich einsehen gethan werden.
Wer die caplene oder prediger anzu-
nehmen und zu verurlauben haben solle,
auch von ihrem amte, lehre und leben.
Die caplene und prediger sollen von den
pfarrern und rethen in stedten zugleich vocirt
und angenommen, auch do es die noth erfordert,
durch sie samtlich und communicato consilio wider
verurlaubet werden.
Und wann die caplene oder prediger also
angenommen und von dem pfarrer eingewiesen
sein, sollen sie sich in irem amte, lehre, sitten
und leben den pfarrern in aller massen, wie ob-
stehet, gleichmessig verhalten.
Und sonderlich sollen sie fleissig studieren,
dann, weil ihnen neben den pfarrern die kranken
zu besuchen und beichte zu sitzen gebühret, ist
hoch( von nöthen, das sie nicht ungelert, sondern
in der heiligen schrift wol erfahren und bewert
sein, dann es gehöret nicht geringe kunst und
weissheit darzu, die erschrocken gewissen in der
beicht recht zu unterweisen und die betrübten
mit gottes wort füglich zu trösten, desgleichen
die halsstarrigen, rohlosen und unbussfertigen zu
schrecken und zu rechter warhaftiger busse zu
reizen und zu bringen, und ist ja so viel an ge-
treuen und fleissigen beichtvetern, als an predi-
canten gelegen, in ansehung, das sie nach gelegen-
heit eines jeden beichtkinds, die lehre des ge-
setzes und evangelii wol zu unterscheiden wissen
müssen.
Derowegen soll auch unser gemeiner super-
intendent, neben den consistorialen, den jungen
caplenen und kirchendienern, wenn er die ordi-
nirt oder instituirt, fleissig einbilden. Wo wichtige
oder zweifelhaftige fragen in der beichte vorfielen,
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