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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0351

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Visitations-Abschied für Stendal von 1578.

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geladen werden sollen. Als auch die visitatores
mit bekummerten gemuete erfahren, das die pfarrer
und caplene alhie die vorordente accidentalia
damit doch ihre vorfaren vor langen jarn hero
content gewesen, abzuthun, und dieselben ires
nutzeshalben funf, acht oder zehenmal hoher zu-
steigern, auch in deme eigene ordenung und
regeln, die in unsers gnedigsten herrn visitation-
ordenung nicht allein nicht zugelassen, sondern
vorboten sein, zumachen.
Dan die visitatores sein glaubwirdig berichtet,
das sie kein kind teufen wollen, die eltern musten
dan selbst zuvor zu inen kommen, und inen die
gefattern vormelten, auch 1 orts thaler und wohl
mehr, nach gestalt sie inen die gevattern zulassen,
erlegen und entrichten.
Zum andern beclagen sich die armen leute,
das sie das tauf- und begrebnusgeld also erhoben,
das es ein armer mann nicht erreichen kann.
Zum dritten sollen sie die personen, so zur
ehe schreiten wollen, mit dem aufbietgeld trefflich
übersetzen, also do man zuvor kaum 2 oder 3
schilling gegeben, wird itzo von inen ein gold-
gulden, thaler oder halber thaler, mehr oder
weniger gefordert. Darum legen die visitatores
craft ires habenden bevelhs dem erbarn rathe
hiermit auf, in deme zum aller forderlichsten eine
pillige ordenung zu machen und den visitatorn die-
selben zu approbirn zuzufertigen. Gleicher ge-
stalt wolle ein erbar rath auch wegen der toten-
greber und den kustern oder pulsanten, so das
leichleuten bestellen, halten, und solche ungebuer-
lich ubersetzen abschaffen.
Es befinden auch die visitatores, das es mit
den kirchoffen dermassen, wie unsers gnedigsten
herrn visitationordenung ausweiset, nicht gehalten
werde, weil aber die kirchoffe der verstorbenen
christen, so von christo selig gemacht, und am
jungsten tage wider uferweckt werden sollen,
schlafheuser sein, auch derwegen pillig rein und
zierlich gehalten werden. Soll derwegen ein erbar
radt den leuten, so an den kirchoffen wohnen,
bei strafe gebieten, aus iren heusern keine schweine
oder andere viehe uf den kirchofe zu lassen, noch
sonst keinen mist oder unflat dahin zu schutten,
auch den kustern in ernst pflegen, uf die kirchofe
allewege zu sehen, damit der todtengreber von den
schweinen unzerwuelet bleiben, und fein erbarlich
gehalten werden mogen.
Es gelangt auch an die visitatores, dass etz-
liche in offentlichen lastern, als ehebruch, hurerei,
unzucht, unzulesslichen wucher, fluchen, gotts-
lesterungen, spielen, teglich schlemmen und der-
gleichen groben thaten, die einstheils der pein-
lichen strafen wirdig sein, liegen. Weil dan
solchs gotts geboten zuwider, auch in beschriebenen

rechten strefflich und sonst an den orten, do man
gots wordt recht predigt, hoch ergerlich, gebueret
einen erbarn rathe darauf mit fleisse achtunge
zu geben und sehen zu lassen, die vorbrecher der
stadt zu verweisen, und die ehebrecher vormuge
der recht zu strafen.
Desgleichen ist den visitatorn furbracht, das
die erwachsene schuler alhie in gottslesterungen
leben, dasjenige, was sie ersingen, und inen von
gottfruchtigen leuten mitgetheilt, vorsaufen, mit
unzuchtigen oder vordechtigen personen vor-
schwenden, den leuten die fenster auswerfen, und
andere mordliche thaten ausrichten helfen, soll
derwegen der erbar rath neben dem rector Schole
darauf sehen, und wo sie die knaben in bier-
heusern oder sonsten an andere orter in zechen
finden, dieselben ufheben, in die gefangnus werfen
und religirn, dan gottfruchtigen frommen schulern
gebueret fleissig zu studiren, und solcher unthaten
mussig zugehen.
Es wirdet auch von den visitatoren, um aller-
lei nachreden und ubelstandes willen, vor guete
angesehen, das der erbar rath ire mengele den
pfarrern oder caplenen in ein zettel ubergeben,
und durch sie ablesen, aber dogegen die stadt-
diener vom predigstuel pleiben lassen.
Es ist den visitatorn auch glaubwirdig fur-
kommen, das viel ungehorsamer leute sein, die
den feiertag mit fahren und arbeiten auch sonst
vorunheiligen. Soll derwegen ein erbar rath die
thore uf die sontage und festvormittage zuhalten
und niemands daraus zur arbeit gestadten, damit
sie nicht ursache haben mogen, gotts zu vor-
seumen.
Und schliesslichen, weil in hochgedachts
unsers gnedigsten herrn christlichen kirchen- und
visitationordnunge, was sich die geistliche und
weltliche obrigkeiten, auch kirchen- und schul-
diener in religion sachen und irem amte vorhalten
sollen, genugsam vorsehen, thuen die visitatores
craft ihres habenden bevelhs, dieselben publiciren
und bei den darein vorleibten strafen dem super-
intendenten, pfarrern, erbarn rathe, caplenen,
kirchenvetern, vorstehern der gemeinen kasten
und hospitaln, auch dem rectori und seinen ge-
hulfen, desgleichen allen andern kirchendienern,
so alhie visitirt werden, bei iren christlichen ge-
wissen, auch eiden und pflichten, damit ein jeder
s. churf. g. vorwandt, in sondern ernste einbinden
und auf legen, sich irer churf. g. ausgangen kirchen-
und visitationordenunge genzlichen zu vorhalten.
Diesen abschied wollen die visitatorn dismal
nach gelegenheit der itzigen zeit und leufte uf-
gerichtet und gegeben haben, und soll ein erbar
rath allen kirchen- und hospitaln abschrift davon
zustellen, oder do sie die von dem rathe nicht
erlangen konnten, so hat der visitatorn notarius
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