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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0381

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Die Markgrafenthümer’ Oberlausitz und Niederlausitz.

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Sinapius, sondern aus derjenigen des Offizials Cnemiander (seit 1558), oder Kittel (seit 1563).
Genaueres ist darüber nicht zu ermitteln; ebenso wenig, ob wir es überhaupt mit einer Kirchen-
ordnung allgemeineren Inhalts zu thun haben. Mir macht das Stück mehr den Eindruck eines
Ausschreibens des Landvogts oder der Canzlei des Landvogts an die Patrone, Gutsherrn und
Magistrate. Da es aber über die Rechte des evangelischen Offizials Auskunft giebt, so wird es
abgedruckt. (Nr. 67.)
Auf den Offizial Sinapius folgte als Offizial Cnemiander. Er stellte in einer Reihe von
Artikeln Verbesserungsvorschläge zusammen und legte diese auf verschiedenen Landtagen den
Ständen und auch gesondert dem Landvogt Lobkowitz von Hassenstein (1556—1570) vor. Ein
Schreiben an letzteren, sowie die Verbesserungsartikel sind abgedruckt in Destinata litteraria.
2, S. 617 ff. Sie betrafen u. A. auch die Stellung des Offizial. Herrschaften und Adel sollten
der „gemeinen Clerisey“ ernstlich befehlen, „dass sie ihren superintendenten und ordinario
allenthalben gehorsamten laut der kirchen- oder Convocations-Artikul bei straf und verlust ihres
ministerii“. (Diese unter Sinapius aufgestellten Convocationsartikel waren aber von Landvogt
und Ständen nicht genehmigt.) Die Ehesachen sollten wieder in das Amt des Offizials gewiesen
werden; „und alweil der Official von seinem amt gar kein einkommen noch erstattung hat, da
er doch alle tag und stund jedem pfarrer, so oft er an in gelangt, mit rat schreiben und der-
gleichen mühe dienen muss, das ihn sein gepürlich cathedraticum von ein idem priester, so
hiher ins amt gehorig nach besage der register 1 quartal 2 gr. pro subsidio et obedientia, wie
vor alters überreicht und gegeben werde, damit sie och wissen, das sie ein geistlich heupt
haben, dem sie folgen und pariren sollen, damit überal zucht und gehorsam unter der priester-
schaft beide in leren und leben mag erhalten werden“. Man sieht, der Offizial wollte seinem
Amte möglichst den Inhalt wieder verschaffen, welchen es in der alten Kirche besessen hatte.
Dass aber Landvogt und Stände das Wiedererstehen dieser katholischen Kirchenregierung nicht
wünschten und daher diese hierarchischen Bestrebungen nicht begünstigten, liegt auf der Hand.
Die Rechtslage des protestantischen Offizials mag darum keine sehr befriedigende gewesen sein
und dürfte sich daher kaum besonders von derjenigen eines gewöhnlichen Superintendenten
unterschieden haben, abgesehen von dem Ehrenvorrang und dem Rechte der offiziellen Vertretung
der niederlausitzischen Kirche nach aussen hin, z. B. den Ständen gegenüber. Auch wurde
dieses Amt von anderer Seite stark bekämpft. So behauptete der Dekan zu Bautzen, Johann
Leisetritt, dass ihm allein die geistliche Jurisdiction in der Niederlausitz gebühre.
Im St.-A. Berlin, Rep. 43, Nr. 27, findet sich ein Schreiben des Erzherzogs Ferdinand
d. d. Prag, 21. Februar 1561, an den Landvogt der Niederlausitz. Darin befiehlt der Erzherzog,
dass die Geistlichen den Dechanten zu Bautzen in Sachen der geistlichen Jurisdiction als ihren
Vorgesetzten anzuerkennen haben, auch wenn ihnen ihre Herrschaften dies verwehren sollten.
Das Schreiben beklagt sich auch über die Behandlung eherechtlicher Fragen, so habe ein Pfarrer
Jemanden mit der Schwester seiner noch lebenden Frau kopulirt.
Der Nachfolger Cnemianders, Kittel, der sich selbst beständig „Archidiakon“ nannte,
batte viel darüber zu klagen, dass seine geistliche Jurisdiction nur auf dem Papiere stände
(vgl. Schreiben an den Landvogt. Destinata. 2, S. 634). Nach dem Fortgange Kittel’s und
in Folge der durch den Bautzener Dekan Leisentritt geschaffenen Schwierigkeiten hat der Land-
vogt die Stelle zunächst nicht wieder besetzt. Auch mochten die durch die philippistische
Strömung hervorgerufenen Wirren zur Vorsicht mahnen. 1569 wurde Schütze oder Sagittarius
berufen. Auch er Unterzeichnete stets „Archidiaconus Lusatiae inferioris“. Im Jahre 1575 zog
er fort, und der Landvogt berief Johann Agricola von Spremberg, der seit 1566 Superintendent
zu Calau gewesen war und als solcher mit dem Offizial zu Lübben und dem Superintendenten
zu Luckau öfter Convente abgehalten hatte (Destinata. 2, S. 735). Wie ein Versuch dieses
Offizials, die alte kanonische Disziplinargewalt über einen Caplan auszuüben, auf den Wider-
SeIlling, Kirchenordnungen. III. 46
 
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