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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0413

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Die Stadt Breslau.

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Von besonderer Bedeutung ist aber eine vom Rath genehmigte Gottesdienstordnung,
die ihrem Inhalte nach um das Jahr 1550 anzusetzen ist. Dieselbe ist in zwei Drucken er-
halten: einem vollständigen (Wittenberg, durch Hans Lufft ohne Jahreszahl) und einem unvoll-
ständigen (mit dem Breslauer Stadtwappen und dem Druckerzeichen des Andreas Winkler).
Sie wird nach dem neuen Abdruck im Correspondenzbl. 4, S. 49 ff. hier abgedruckt. (Nr. 83.)
Aus dem Jahre 1557 besitzen wir einen sehr bemerkenswerthen Bericht der Breslauer
Geistlichkeit über ihre kirchliche Ordnung. Als nämlich in diesem Jahre Danzig, Thorn und
Elbing die Reformation offiziell einzuführen beschlossen, erbat sich Thorn von Breslau die
dortige Kirchenordnung und schickte sie nach Danzig. Das Nähere ist bei Danzig darzustellen.
Im St.-A. Danzig XXXV B., Nr. 2, hat sich dieses Exemplar der Breslauer Ordnung erhalten.
Es nennt drei Pfarrer: Simon Musäus, Johannes Scholtze und Johannes Sager. Musäus wurde
aus der Mark Brandenburg, wo er zuletzt in Grossen Pastor war, 1554 nach Breslau berufen,
wo er als Nachfolger Moibans an St. Elisabeth wirkte und 1557 seinen Abschied nahm. Er
wirkte später in Thorn (vgl. unter Thorn). Johannes Scholtze aus Grüssan wurde auf Melanch-
thon’s Empfehlung aus Bartphen in Ober-Ungarn 1552 als Professor des Gymnasiums St. Elisa-
beth nach Breslau berufen, wo er Prediger an mehreren Kirchen wurde und schliesslich als
Probst zum Heiligen Geist und Prediger an St. Bernhardin 1583 starb. Johannes Sager ist
von 1554 (?) bis 1559 nachweisbar als Professor am Elisabeth-Gymnasium thätig. Er hat
auch ein Pfarramt bekleidet. Die Aufzeichnung von 1557 ist um so bemerkenswerther, als
sie das wirkliche Leben wiederspiegelt und uns daher einen Einblick in die thatsächlichen Ver-
hältnisse gestattet, wie sie ihn die offiziellen Ordnungen niemals gewähren. (Nr. 85.)
Was die bisherigen Nachrichten über die Entstehung des Kirchenregimentes des Rathes
anlangt, so hat Konrad, Silesiaca, S. 208 ff., sie auf das richtige Mass zurückgeführt, ins-
besondere die Behauptung von Eberlein über das Vorhandensein eines städtischen Con-
sistoriums (Correspondenzbl. 5, 113 ff.). In der Zeit der ersten Pfarrer Hess und Moibanus ist
der Zustand noch ein ganz provisorischer*, es ist kein definitiver Bruch mit der bisherigen Organi-
sation eingetreten; Moibanus betrachtet immer noch den Bischof als Vorgesetzten, wenn er auch
in vielen Dingen schon eigene Wege geht. Im Eherecht z. B. muss er sich natürlich nach den
neu entstehenden protestantischen Grundsätzen richten und fragt daher, wenn er sich nicht zu
helfen weiss, nicht beim Bischof, sondern in Wittenberg um Rath. Eine Einstellung der
bischöflichen Jurisdiktion in Ehesachen ist aber offiziell gewiss zunächst nicht gefordert worden.
Das änderte sich erst, seitdem durch das Tridentinum die Spaltung definitiv wurde. Jetzt
hörte die Jurisdiktion des Bischofs auf und ging auf den Rath als die nächste weltliche Obrig-
keit über, wenn auch die Katholiken noch 1570 dagegen protestirten. 1567 hat Kaiser Maxi-
milian die Zuständigkeit des Rathes in Ehesachen anerkannt (Konrad, Silesiaca, S. 209).
Der Rath lässt sich in seiner Rechtsprechung durch die Stadtgeistlichkeit vorberathen und
Gutachten abstatten. Diese sind uns leider erst aus der Zeit des Pfarrers Esaias Heidenreich
erhalten, obwohl sie gewiss schon früher erstattet worden sind. Und zwar in einem Bande aus
der Zeit von 1569—1578 im Stadt-Archiv zu Breslau und in einem weiteren Bande, der die
Zeit von 1579—1588 umfasst, im St.-A. Breslau, Stadt II, 23a. Ich habe dieselben durch-
gesehen und kann die Ausführungen von Konrad nur bestätigen. Wenn Eberlein sie
„Consistorial-Akten“ nennt, so ist das irreführend. Entscheidungen werden nicht getroffen,
sondern es wird dem Rathe, der die Entscheidung fällt, lediglich gutachtlich referirt, allerdings
nach Anhörung der Parteien. Die Gutachten werden daher z. B. überschrieben: „Berichte des
Pfarramts alhie an den Erbarn, hochweisen Rath N. N.’s ehehandel betreffend“. Die Gutachter
sind die Pfarrer der beiden Stadtkirchen, der Prediger in St. Elisabeth und die Diakonen, der
Probst zum heiligen Geist, anfänglich auch der Rektor der Schule von St, Elisabeth. Diese
bilden unter dem Vorsitze des Pfarrers von St. Elisabeth einen Convent, Bisweilen erstattet
Sehling, Kirchenordnungen. III. 50
 
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