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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0437

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Kirchenordnung für die Stadt Neumarkt.

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Zur Reformationsgeschichte dieser Stadt s. Heyne, a. a. O. S. 86 ff. Interessant ist
die Zusammenstellung einzelner kirchlichen Anordnungen aus dem 16. Jahrhundert in Ztschr.
des Ver. f. Gesch, u. Alterthumskunde Schlesiens 20, S. 288 ff.
1538 wurde die Messe eingestellt, aber dem Volke die Auswahl zwischen dem Abend-
mahl in beiderlei oder einerlei Gestalt gelassen; wer letzteres begehrte, hatte Dienstag, Donnerstag
oder Freitag in der Marterwoche zu kommen. 1540 nahm der Rath die ganzen kirchlichen
Einkünfte in seine Obhut und Verwaltung; er stellte eigene Verwalter an (zwei Kirchenväter,
zwei Vorsteher beim Pfarramt und zwei Almosenväter); bald darauf erliess er eine eigene
Kirchenordnung, welche bei Heyne, S. 92—94, abgedruckt ist und hier wiedergegeben wird
(Nr. 94.)
Im Jahre 1570 hatten die Prediger aus Anlass des Schwenkfeldianismus eine eigene
Kirchenordnung ausgearbeitet, sie wurde aber nicht veröffentlicht, weil der Rath zu Breslau
das nicht für angebracht hielt.
Ausserdem sind für diese Stadt noch zwei Polizeiordnungen zu nennen. Der Rath erliess
am 27. Juni 1547 eine Polizeiordnung zur Heiligung des Sonntags (vgl. Pfotenhauer, Die
Pförtner von Neumarkt und ihre Aufzeichnungen, in Ztschr. des Ver. f. Gesch. u. Alterthums-
kunde Schlesiens 20, S. 279). Um 1571 erliess er eine weitere Polizeiordnung zur Förderung
von Zucht und Ehrbarkeit (Heyne, a. a. O. S. 118). Beide werden nicht abgedruckt.

94. Kirchenordnung für die Stadt Neumarkt.
[Aus Heyne, Urkundliche Geschichte der kgl. Immediat-Stadt Neumarkt. Glogau 1845. S. 92—94.]

1. Bestallung eines pastors.
Belangend nun die facienda derer prediger,
so sind die labores eines solchen zum Neu-
markt: Der hr. prediger soll alle sonntage und
feste, an welchen man bis anhero allhier zu
predigen gepfleget, die gewöhnlichen evangelia
erklären und auslegen, sowohl auch alle donners-
tage in der woche eine predigt zu thun schuldig
sein; desgleichen in der fasten auf den abend
zum complet die predigten vom leiden und sterben
des hrn. Christi, auf die dienstage und freitage
nach mitfasten, wie zuvor in der gewohnheit zu
halten, thun und sich befleissen der augspurgi-
schen confession und derselben apologia gemäss,
beineben denen heiligen biblischen schriften der
propheten und aposteln zu lehren.
Alle leichpredigten der adelspersonen stehen
dem pfarren zu. Wenn confitentes vorhanden, es
sei an sonnabenden zur vesper oder andern
vigilien, soll der pfarrer dieselben ohnbeschwert,
sonderlich, wenn ihr viele verhören helfen, treu-
lich und fleissig unterrichten und die bussfertigen
aus gottes wort trösten, zur besserung ihres lebens
vermahnen, die leute nicht übel anfahren, sondern
gesittlich und freundlich mit'' ihnen umgehen.
Die besuchung derer kranken adelspersonen
soll dem pfarrer und diacono, welcher unter ihnen
hierum angelanget wird, zugelassen werden. Auch
soll der pfarrer, sonderlich, wenn es an ihm er-
sucht und begehret wird, die kranken be-
Sehling, Kirchenordnungen. III.

kümmerten und betrübten kirchkinder, arm sowohl
als reiche, unbeschwert willig besuchen, unter-
richten und zu christlicher geduld und hofnung
ermahnen und mit gottes wort trösten.
Wann der diaconus mit vorwissen des pfarr-
herren verreiset und nicht einheimisch wäre, soll
der pfarrer seine stelle vertreten und was bei
der kirchen zu bestellen vonnöthen, unbeschwert
verrichten.
Belangende die täuflinge derer adelspersonen,
sowohl derselben trauung, welche person es sei,
der pfarrer oder diaconus darum ersucht wird,
dem soll es ohne verwiederung des andern zu
verrichten frei sein.
Die leichpredigten der mitburger, weil die-
selben zu Bresslau (nach welcher kirchenordnung
man sich allhier zu richten pfleget) nicht bräuch-
lich, auch allhier in wenig jahren erst auf kommen
sein, sollen gar abgestellet werden.
Die vorbitten soll er auch so gar gemein und
lang nicht machen; für die communicanten soll
in genere gebeten werden.
2. Eines diaconi zum Neumarkt labores.
Alle sonntage so wohl alle festtage, so man
prediget, das officium zu halten, sowohl die matu-
tinas anzuheben, auserhalb auf die drei hohen
feste Weinachten, Ostern und Pfingsten, soll der
pfarrherr das amt halten.
Alle sonntage zur vesper zu predigen, alle
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