Calenberg-Göttingen
Gott offenbaren lassen. Er sagt aber von stund
ahn darauf, das solche offenbarungh sofern zu-
gelassen werden sollen, wen sie der regeln, darin
sie komen und schon drein wandeln, gemes sein,
als wolt er sagen: Ihr hapt von mir empfangen
die regel Cristi, das ist, des evangelii, des glau-
bens und liebe. Wen euch gleich daruber etwas
offenbart wurde, so seet zu, das solche offen-
barungh dieser regeln gemes seie. Den wo sie
derselbigen gemes ist, so ist sie von Gott, und
ihr seit sie zu halten schuldig, wo nicht, ist
die offenbarungh von Gott nicht, und ihr seit
auch zu halten nicht schuldigk. Das sie weiter
furgeben, sie halten im klosterleben etzliche
stucke, als von rachgirigkeit und boeser lusth,
so doch nicht gepote, sunder rechte sein, die
man halten oder nycht halten moge, und seie
ihr stand ein volkomener stand, ist auch nychts;
dan wo es rechte weren, die man thun oder
lassen mochte, so werde Christus die straff, so
den ubertretern Matth. 5 [21 f.] darbei vorkun-
diget wirt, wol geschwigen haben. Wiewoll, wo
ist rechtgiriger volk als eben in den klostern?
Das ander wollen wir schweigen. Dieweile nhun
das heilige evangelium die einige regel est, in
welcher alle Christen, keinen ausgescheiden, wan-
deln und einhergehen sollen und musten, wie
Paulus zu den Galatern am 6. [2] solcher regeln
auch gedenkt, weil auch im selbigen evangelio
alles, was zur gottseligkeit und einem erbarn
wandel gehort, reichlich verfast ist, wie Chrisosto-
mus in epistolam ad Titum homelia prima13 sagt,
so ist pillich, das die lugen menschlicher sat-
zungen der offenbarten evangelischen warheit
weichen und aller menschen leben nach der lere
Christi gerichtet werden.
13 In Ep. ad Tit. homilia 1,2; MSG 62,666.
14 Druckvorlage: gepere.
43 Vita Augustini 5; MSL 32, 37 f.
16 Vita Augustini 11; MSL 32,42.
Wie es bey den furnembsten vetern umb
das klosterleben ein gestalt habe.
Es seind ethwan die kloster vorsamblungh ge-
wesen, da man die jugent, beide, zu der lahr,
godseligkeit und guten sitten gezogen und an-
gericht hat, und wen dar geschickte leute in
solch versamblung ufgewachsen waren, hat man
sie heraus gefordert und zu pfarhern, selsorgern
und bischoffen gemacht. Sie hatten einfeltige,
erliche und nicht so scheusliche kleidungh, wie
sie itzo haben; so war auch ihr beten und fasten
ein freiwillig ding. Das lesen und studern in
der heiligen schrift, so nach dem gepete14 ge-
schach, war bei ihne das furnembste. Sie assen
und trinken eintrechtiglich miteinander wie in
etzlichen academiis itzo noch gescheut, uber das
waren sie an solchem leben nicht gepunden.
Wer pleiben wolte, der bleib, wer gehen wolte,
der ging. Suma, es war dazumall christliche frei-
heit besser bekant, weder sie nhun ist.
Das solchs war sey, bezeuget Possidonius in
Vita Augustini am 5. capitel15 mit klaren wor-
ten, schribt [!] auch volgents im eilften16, das
zu seiner zeit zehen treffenlicher gelerte men-
ner aus der zall der junger Augustini genomen
und zu pfarhern und bischoffen aufgeworfen
worden sein. Er, der Augustinus, nennet auch
selbs solche versamblungh nicht monesteria, son-
der dieversoria17, wiewoll darnach der Possido-
nius18 von monasteriis gesagt hat. Was? Be-
kennet er nicht in Johannem, tractatu 97, de
capitel 1619 offentlich, das monasterium ein neue
und ungehort wort sei, dardurch aber nichts an-
derst dan die christliche religion, so zu Antiochien
erstlich den Christen ihren nhamen gegeben ha-
ben, verstanden werden solle? Also sagt er auch
17 De moribus ecclesiae catholicae 1,33,70; MSL
32, 1339. Sonst spricht Augustin aber auch
von „monasterium“; vgl. z. B. Sermo 355, 1;
MSL 39, 1570; Confessiones VIII, 6, 15; MSL
32, 755. CSEL 33,182.
18 a. a. O. (Anm. 15 f.).
19 Tract. in Joann. ev. 97, 4; MSL 35, 1879.
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Gott offenbaren lassen. Er sagt aber von stund
ahn darauf, das solche offenbarungh sofern zu-
gelassen werden sollen, wen sie der regeln, darin
sie komen und schon drein wandeln, gemes sein,
als wolt er sagen: Ihr hapt von mir empfangen
die regel Cristi, das ist, des evangelii, des glau-
bens und liebe. Wen euch gleich daruber etwas
offenbart wurde, so seet zu, das solche offen-
barungh dieser regeln gemes seie. Den wo sie
derselbigen gemes ist, so ist sie von Gott, und
ihr seit sie zu halten schuldig, wo nicht, ist
die offenbarungh von Gott nicht, und ihr seit
auch zu halten nicht schuldigk. Das sie weiter
furgeben, sie halten im klosterleben etzliche
stucke, als von rachgirigkeit und boeser lusth,
so doch nicht gepote, sunder rechte sein, die
man halten oder nycht halten moge, und seie
ihr stand ein volkomener stand, ist auch nychts;
dan wo es rechte weren, die man thun oder
lassen mochte, so werde Christus die straff, so
den ubertretern Matth. 5 [21 f.] darbei vorkun-
diget wirt, wol geschwigen haben. Wiewoll, wo
ist rechtgiriger volk als eben in den klostern?
Das ander wollen wir schweigen. Dieweile nhun
das heilige evangelium die einige regel est, in
welcher alle Christen, keinen ausgescheiden, wan-
deln und einhergehen sollen und musten, wie
Paulus zu den Galatern am 6. [2] solcher regeln
auch gedenkt, weil auch im selbigen evangelio
alles, was zur gottseligkeit und einem erbarn
wandel gehort, reichlich verfast ist, wie Chrisosto-
mus in epistolam ad Titum homelia prima13 sagt,
so ist pillich, das die lugen menschlicher sat-
zungen der offenbarten evangelischen warheit
weichen und aller menschen leben nach der lere
Christi gerichtet werden.
13 In Ep. ad Tit. homilia 1,2; MSG 62,666.
14 Druckvorlage: gepere.
43 Vita Augustini 5; MSL 32, 37 f.
16 Vita Augustini 11; MSL 32,42.
Wie es bey den furnembsten vetern umb
das klosterleben ein gestalt habe.
Es seind ethwan die kloster vorsamblungh ge-
wesen, da man die jugent, beide, zu der lahr,
godseligkeit und guten sitten gezogen und an-
gericht hat, und wen dar geschickte leute in
solch versamblung ufgewachsen waren, hat man
sie heraus gefordert und zu pfarhern, selsorgern
und bischoffen gemacht. Sie hatten einfeltige,
erliche und nicht so scheusliche kleidungh, wie
sie itzo haben; so war auch ihr beten und fasten
ein freiwillig ding. Das lesen und studern in
der heiligen schrift, so nach dem gepete14 ge-
schach, war bei ihne das furnembste. Sie assen
und trinken eintrechtiglich miteinander wie in
etzlichen academiis itzo noch gescheut, uber das
waren sie an solchem leben nicht gepunden.
Wer pleiben wolte, der bleib, wer gehen wolte,
der ging. Suma, es war dazumall christliche frei-
heit besser bekant, weder sie nhun ist.
Das solchs war sey, bezeuget Possidonius in
Vita Augustini am 5. capitel15 mit klaren wor-
ten, schribt [!] auch volgents im eilften16, das
zu seiner zeit zehen treffenlicher gelerte men-
ner aus der zall der junger Augustini genomen
und zu pfarhern und bischoffen aufgeworfen
worden sein. Er, der Augustinus, nennet auch
selbs solche versamblungh nicht monesteria, son-
der dieversoria17, wiewoll darnach der Possido-
nius18 von monasteriis gesagt hat. Was? Be-
kennet er nicht in Johannem, tractatu 97, de
capitel 1619 offentlich, das monasterium ein neue
und ungehort wort sei, dardurch aber nichts an-
derst dan die christliche religion, so zu Antiochien
erstlich den Christen ihren nhamen gegeben ha-
ben, verstanden werden solle? Also sagt er auch
17 De moribus ecclesiae catholicae 1,33,70; MSL
32, 1339. Sonst spricht Augustin aber auch
von „monasterium“; vgl. z. B. Sermo 355, 1;
MSL 39, 1570; Confessiones VIII, 6, 15; MSL
32, 755. CSEL 33,182.
18 a. a. O. (Anm. 15 f.).
19 Tract. in Joann. ev. 97, 4; MSL 35, 1879.
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