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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0186
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Calenberg-Göttingen

angesagt. und so jemand solchs verschwiege und
sich solcher schwermereye teilhaftig machte,
seins dienstes entsetzt werden.
4. Wir komen auch in erfarung, das in der
administration des abentmals Christi grosse un-
gleicheit und alles nach der ordnung nicht ge-
halten wirde. Setzen demnach und ordenen, das
die celebratio coenae dominicae nicht anders,
dann in der ordenunge vermeldet7, gehalten, die
elevatio gar abgeschafft, die mesgewender oder
casel angezogen und 2 liechte auf den altar ge-
setzt werden sollen, nicht, das an solchen cere-
monien etwas sonderlichs gelegen sey, sonder
das wir gerne eine gleicheit und ehrbarkeit umb
der einfeltigen und schwachen willen in den kir-
chen dieses fürstenthumbs haben wolten.
5. Desgleichen wirt uns angezeigt, das etliche
privatam confessionem, das ist die ohrenbeicht
und die absolution, fallen lassen und die pfar-
kinder in haufen hören sollen. Wöllen derhalben
abermals haben, das die pastores solche beicht
sonderlich umb der absolution und guts raths
willen laut der ordnung8 behalten. Denn wo
dieser brauch, ob er wol Gotts gebot nicht hat,
in verachtung gestelt wirdet, da gibt es rauch-
lose leut, die darnach weder den pastor noch
das wort achten.
6. Weil auch etliche befunden, die mehr dann
die verzeignete feste in der ordnung9 halten,

7 Vgl. oben S. 792 ff. u. 812 ff.
8 Vgl. oben S. 751.
9 Vgl. oben S. 797 f.
10 kören = wählen. Körtag = Wahltag, im wei-
teren Sinn auch der Tag der Gemeindever-
sammlung, an dem alle Dinge der Gemeinde
geregelt wurden; vgl. SchilLer u. Lübben II,
535. Grimm, Deutsches Wörterbuch V (1873),
1841. H. Pfannenschmid (Germanische Ernte-
feste i. heidn. u. christl. Cultus. 1878, 659)
stellt die Frage, ob es sich bei unserm Text
nicht um einen Lesefehler des Druckers für
„käsfest“ handele. Das Fest des Käseessens
wird auch in den Lüneburger Artikeln von
1527 zusammen mit der Hagelfeier verboten;
vgl. Sehling VI, 1, 508. Wahrscheinlich fand
es am Sonnabend vor Invocavit statt; vgl.
H. Pfannenschmid, a. a. O. 382.

so sollen nu fortan alle die festage, so in der-
selbigen nicht stehen, bey sonderlicher straff
verboten sein, sonderlich das körfest10, hagel-
fest11, item das fest corporis Christi12, assump-
tionis Mariae13 und dergleichen. Denn umb der
schwachen und unverstendigen willen wil uns
auch in diesem falle, gleicheit zu suchen, ge-
büren. Doch mus man aus den verzeichneten
festen, sonderlich, wenn nod, wie sich in der
ernte und ssonst zutragen kan, christlicher frei
heit zuwider kein gesetz oder nötig ding machen.
7. Nachdem die vermeinte kirchweigunge14
bissher nichts anders dann ein eitel abgöttischer
handel, fressen, schwelgen und saufen, so ein
unordig wesen mit sich bringen, gewesen ist, so
wöllen wir dieselbigen in den kirchen gar ab-
gesetzt und allen pastoren bey sonderlicher
straffe verboten haben. Und wenn gleich bürger
und bauren solchen missbrauch nicht absetzen
wolten, welchs gleichwol der oberkeit abzu-
schaffende gebüren wil, sollen solche kirch-
weigunge nichtdestoweniger den pfarhern ver-
boten sein.
8. Auch sol sich kein pastor, in einigen krug
oder zechehaus zu gehen und sich mit bürgeren
oder bauren vol zu saufen, gelüsten lassen. Denn
die kirchendienere sollen, wie Paulus fordert
[1. Tim 3, 1 ff.; Tit 1, 7 ff.], gegen Gott frome
und, soviel den eusserlichen wandel belangt,
11 Das Hagelfest wurde mit Flurprozessionen
und unter Absingen von Litaneien begangen.
Man glaubte, auf diese Weise den Schutz
der Felder vor Unwetterschäden herbeiflehen
zu können. Nicht einheitlich sind im allge-
meinen die Termine der Hagelfeier; jedoch
fand sie durchweg im Frühsommer statt.
Vgl. H. Pfannenschmid, a. a. O. 46 ff.
12 Fronleichnamsfest, 11 Tage nach Pfingsten.
13 15. August.
14 Ein Kirchweihfest wurde bei dem Akt der
Einweihung des gottesdienstlichen Gebäudes
und bei der jährlich wiederkehrenden Ge-
dächtnisfeier für diese Einweihung begangen.
Die Gedächtnisfeiern waren natürlich in der
Ueberzahl. Da sie zur Völlerei mißbraucht
wurden, verlangte Luther schon 1520 ihre
Abschaffung; vgl. An den christl. Adel usw.;
WA 6, 446, dazu RE3 10, 499 ff.; H. Pfannen-
schmid, a. a. O. 244 ff.

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