Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0223
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die LandesKO von 1569 und das Corpus doctrinae lulium, sondern auch auf die den Städten
eigentümliche, wörtlich „ihrer sonderharen, vor vilen jaren aufgerichteten kirchenordnung“
verpflichtet werden sollten.
Knapp, aber eindeutig hatte sich der Rat in der KO das Pfarrbestellungsrecht gesichert
und an diese Bestimmung hielt er sich künftig auf das Genaueste. Ostern 1531 hatten seine
vielfachen Bemühungen, alle Pfarrstellen der neuen Lehre gemäß zu besetzen, Erfolg; aller-
dings hatte der Rat keine Macht über die katholischen Lehnsinhaber der Göttinger Pfarren
mit Patronatsrecht des Landesfürsten und des deutschen Ordens (vgl. Erdmann, S. 38,58,
60, 64 ff., jetzt zusammenfassend Scharrenberg, in ZnKG 52, S. 71). Als aber Herzogin
Elisabeth über den Göttinger Pfarrer Hartmann Hentzemann verfügen wollte, erhob der Rat
Einspruch (vgl. Brenneke 1, S. 384). Er entschied nicht nur über die Einsetzung der Pfarrer,
sondern auch über deren Absetzung nach seinem Ermessen. So hatte er aus Opportunitäts-
gründen 1550 Dr. Joachim Mörlin entlassen. Als sich Göttinger Pfarrer scharf gegen die Recht-
mäßigkeit dieser Amtsentsetzung aussprachen. ereilte sie dasselbe Schicksal (vgl. Tschackert,
Sutel, S. 56, Saathoff, Kirchengeschichte, S. 154. Zu dem sich daraus entspin-
nenden Vokationsstreit, der die Göttinger Geistlichkeit weiterhin in Gegensatz zu dem Rat
brachte, vgl. Saathoff, Kirchengeschichte, S. 154 ff., Tschackert, Sutel, S. 56
ff.). Erst seit 1584 geriet der Göttinger Rat in verwickelte Auseinandersetzungen wegen des
Pfarrbesetzungsrechtes mit den Herzögen Julius und Heinrich Julius (im Stadtarchiv umfang-
reiche Akten). Der Streit zwischen Stadt und Herzog wurde bis vor das Reichskammergericht
gebracht. Von diesem liegt der Entwurf eines umfangreichen Gutachtens aus dem Jahre 1596
vor, ein endgültiger Entscheid ist nicht auffindbar. Auch dieser Kompetenzstreit wurde im
Gandersheimer Landtagsabschied von 1601 vom Landesherrn abgeschlossen (vgl. Fürstentum
Calenberg, Text Nr. 8). Eine Untersuchung über das geistliche Ministerium in Göttingen steht
noch aus.
DiePolizeigewalt in geistlichen Sachen übte der Rat unbeschränkt aus (vgl. Erdmann,
S. 62). Im 30. Juni 1552 verfügte er, daß die Sonn- und Feiertage so,wie sie von den Prädi-
kanten geboten wurden, auch gehalten werden sollten. An solchen Tagen durfte keine Arbeit,
vor allem keine Feldarbeit getan werden (Stadtarch. Gött., Acta ref.).
Eine eingehende Untersuchung des Göttinger Schulwesens fehlt. Soviel sei angedeutet: um
Hebung des Schulwesens war der Rat seit der Aufstellung der KO von 1530 sehr bemüht.
Bis dahin hatte in Göttingen nur eine wenig bedeutende Lateinschule bestanden (vgl. Kolde-
wey, Bracht, S. 22 f.). 1535 sollte diese Schule erweitert werden (vgl. Chr. Leonhard,
Programma in quo variam rei tum scholasticae tum ecclesiasticae apud Gottingenses fortunam
documentis fide dignis exponit. Göttingen 1748, S. 10). 1542 war es dem Rat gelungen, die
Einkünfte der Kalande in seinen Besitz zu bekommen. Mit diesen richtete er in dem Pau-
linerkloster ein Pädagogium ein (hierüber und über das weitere Schicksal — Schließung 1544
— vgl. Erdmann, S. 65—67, Brenneke 2, S. 32 f., 101 f.). Nach diesem vergeblichen
Versuch blieb die bisherige Lateinschule bestehen. Der Rat sorgte für bessere Einrichtung. 1577
wurde von ihm eine neue Schulordnung erlassen, auch eine Folge des Bekehrungsstreites (vgl.
Saathoff, Stadtgeschichte, S. 229, Schmidt, S. 100). Erst 1586 hatte der Rat
mit einem Pädagogium Erfolg und schuf damit eine der bedeutendsten Lehrstätten jener Zeit
(vgl. Saathoff, Stadtgeschichte, S. 229 ff.). Die Statuta und Leges für dieses Pädago-
gium aus dem Jahre 1586 liegen gedruckt vor in: Gottingensium ad Lainum paedagogii skia-
graphia. Frankfurt a. M. 1586 (S. 32 — 49); eine Schulordnung des gleichen Jahres ebda.
(S. 63-68).

905
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften