Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0238
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Trotz Aufstellung der KO war noch eine nicht unerhebliche katholische Gegenbewegung in
der Stadt vorhanden, unterstützt namentlich durch Abt und Brüder des Benediktiner-Stiftes
St. Blasii innerhalb der Stadt. Außerdem entstanden Schwierigkeiten wegen der durch die
KO nicht geregelten Besoldung der Pfarrer an der St. Sixtikirche, der einzigen Kirche in der
Stadt außer der Klosterkirche. Bis dahin hatte hier das Patronatsrecht der Abt des Klosters
St. Blasii besessen. Dieses Recht wurde durch die KO indirekt aufgehoben und an den Rat
übertragen (vgl. Bartels, S. 35). Der Rat beanspruchte für diesen Zweck die Kalandsgüter,
die ihm jedoch von der Landesherrschaft streitig gemacht wurden. Durch einen Vertrag zwi-
schen Rat und Kalandsherren vom 8. März 1539 sicherte sich der Rat diese Güter. Sie soll-
ten ihm nach dem Tode der Besitzer zufallen (vgl. Bartels, S. 35 f.). In einem Kalands-
rezeß vom 27. April 1540 wurden die Abmachungen des Rates mit den Kalandsherren durch
Herzog Erich 1. bestätigt. Der Rat mußte sich verpflichten, den Pfarrer, zwei Kapläne für
die Stadtkirche St. Sixti und den Schulmeister für die Stadtschule aus eigenen Mitteln zu be-
solden (vgl. auch Brenneke, 2, S. 36 ff.). Der katholischen Gegenbewegung wurde durch
einen Vertrag vom 29. April 1540 ihres Führers mit dem Rat ein Ende gesetzt.
(Zu den Schwierigkeiten, die dem Visitationswerk der Herzogin Elisabeth — erste Visitation
11.—16. Dez. 1542, zweite Visitation durch die Herzogin persönlich 12.—15. Dez. 1543 — be-
gegneten, vgl.Bartels, S. 67 ff.,Brenneke, 2, S. 36 ff., 90 ff.). Zugleich damit hatte
die Stadt Northeim KO und Visitationsrecht der Landesherrschaft rundweg abgelehnt. Diese
Ablehnung galt jedoch beim Kloster nicht der Reformierung, sondern der Beschlagnahme der
Klostergüter durch die Landesherrschaft. Im Stift St. Blasii kam die lutherische Lehre nicht
zum Durchbruch; der letzte Klosterbruder starb 1572 im alten Glauben. Jedoch hatten diese
letzten Klosterinsassen bereits seit 1553 keinerlei Verfügungsgewalt mehr über die Klostergüter
(vgl. Bartels, S. 94 ff., Brenneke, 2, S.415ff.). Der Kalandsgüter, auf die die Landes-
herrschaft trotz der früheren Abmachungen nicht verzichten wollte, hatte sich der Rat zu Nort-
heim unter Umgehung dieser Ansprüche etwa 1543 zu bemächtigen gewußt (vgl. Bartels,
S. 75).
Daß der Rat sich beim Reformationswerk seine Selbständigkeit wahren konnte, wirkte sich
auch auf das Kirchenregiment aus, das er auf Grund der KO von 1539 ausübte. So waren die
Stadtprediger — feweils nur zwei — ebenso wie der Schulmeister völlig abhängig vom Stadtrat.
Berufungen und Versorgung geschahen allein durch den Rat; auch behielt er sich nach Belie-
ben die jederzeitige Absetzung vor (vgl. Vennigerholz II, S. 180 f.). Noch 1584 beachtete
er einen von den fürstlichen Räten empfohlenen Kandidaten nicht im geringsten. Klagen der
Gemeinde über Prediger stellte der Rat kraft eigener Verfügung ab (vgl. Vennigerholz II,
S. 181). Auch darüber, wie die Pfarrer ihr Amt zu verwalten hatten, verfügte der Rat. So
erließ er 1582 eine Verordnung, wie die Prediger es mit Taufen. Beichthören, Kranken-
besuchen, Begräbnisfolge und Kopulation halten sollten (vgl. Friese, S. 382).
Der Gandersheimer Landtagsabschied im Jahre 1601 schränkte dieses städtische Kirchen-
regiment ein, wie auch in den übrigen calenbergischen ,,Großen Städten“, wenn auch die städ-
tische KO von 1539 in Geltung blieb. Auch das umkämpfte Patronatsrecht an St. Sixti mußte
der Rat Anfang des 17. Jahrhunderts wieder an die Landesherrschaft abgeben, doch wurde er
fortan von ihr damit belehnt (vgl. Vennigerholz II, S. 182, Hueg, Northeim, S.153).
Mit Aufstellung der KO bekam der Rat auch das Schulregiment ganz in seine Hand, das
bis dahin trotz des Bestehens einer eigenen Ratsschule noch wesentlich vom Stift St. Blasii

920
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften