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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0243
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Kirchenordnung 1539

Von der messe.
Wiewol die eusserliche ceremonien und ubungen
der kirchen in die sache unser rechtfertigung
und seligmachung nicht gehören (denn es her-
schet hie allein der glaub und heisset, wie
S. Paul sagt: Die leibliche ubung ist wenig
nütz; die gottseligkeit nützet aber zu allem
ding, 1. Timo. 4 [8]), so hat man aber doch
fur christlich und gut angesehen, dieweil die
kirche ihre ordnung und ubung haben sol und
mus, das die gesenge, so bisher in der mess
gewesen und Gottes worte nicht zuwider sein,
bleiben und gehalten werden, sonderlich auf
die Sontage und festage. Ja, warümb solte man
einen reinen introitum, Kyrieeleyson, Gloria in
excelsis und das Et in terra9, bis die gemeine
zusamenkeme, nicht singen und bleiben las-
sen? Solchs kan ich zwar fur meine person
nicht finden, halte es auch ganz und gar nicht
mit denen, so alles in der gemeine10 verwerfen
und keine ceremonien leiden wollen.
Die collect auf das Gloria in excelsis, dieweil
die ganze kirche bittet, sol deudsch gesungen
werden, desgleichen die epistel, das ja nach
Sanct Pauls lere [1. K 14, 26] alles geschehe zur
besserung.
Nach der epistelen mag auch der chor das
haleluja und sequenz, wenn der text rein und
die zeit nicht zu kurz ist, singen odder aber
anstat des haleluja und sequenz einen psalm
mit der ganzen gemeine. Denn es müssen solche
dinge frey und keinem gesetz unterworfen sein.
Das evangelium volgt nach diesen gesengen,
und sol dasselbige auch deudsch odder lateinisch
nach des priesters gutdünken und wolgefallen
gehalten werden. Nach dem evangelio sol man
singen nicenum symbolum11 oder Wir gleu-
ben12 deudsch.
Auf das symbolum sol folgen die predigt des
heiligen evangelii, und wie hie vom pfarherrn
und predicanten, das er vleissig sey in solchem

9 Vgl. zur Folge der Liturgie: Röm. Meßbuch,
458 ff. (Ordo Missae).
10 Druckvorlage: gemeime.

seinem ampt, gefordert wird, also ists billich
und göttlich, das auch die zuhörer das wort mit
sonderlicher reverenz und andacht in der stille
hören, fassen und annemen. Denn dieweil durchs
wort der Geist und glaube komen, Roma. 10
[17], so wils auch vleissig gelert, getrieben und
gehort sein. So ist es am tage, wiewol der, so
es predigt, ein mensch ist, das dennoch das-
jenige, so er aus der schrift, nicht eigenem
kopfe, predigt, Gottes wort und stimme ist und
derhalben auch nicht anders denn Gottes stimme
gehort und angenomen sein wil, wie Christus
selbs sagt Matth. 10 [20]: Ihr seid es nicht, die
da reden, sondern es ist der Geist meins Vaters,
der durch euch redet.
Nach geschehener predige sol ein ernstlich und
vleissig gebet geschehen, erstlich in geistlichen
sachen: das Gott der Herr uns, seinen armen
kindern, durch sein wort gnad geben wölle,
das bey und in uns geheiliget werde sein name,
das sein reich zu uns kome und des teufels
reich zerstört werde, das sein will geschehe etc.,
wie denn solchs der predicant wol zu ordenen
weis. Zum andern sol man auch leiblicher sache
nicht vergessen und fur alle öberkeit und die,
so in emptern sitzen, das sie christlich und wol
regiren mögen, Gott, unsern lieben Vater, durch
Christum anruffen. Denn solchs zu thun, sind
wir nach der lere des heiligen Pauli schüldig, da
er sagt: So ermane ich nu, das man fur allen
dingen zuerst bitte thu, gebet, furbitte und dank-
sagung fur alle menschen, für die könige und
alle öberkeit, auf das wir ein geruglich und stil-
les leben füren mügen in aller gottseligkeit und
redligkeit. Denn solches ist gut, dazu auch an-
genem fur Gott, unserm heiland, welcher wil,
das alle menschen genesen und zum erkentnis
der warheit komen, 1. Timo. 2 [1 ff.].
Austrücklich aber sol der predicant hie bitten
fur keyserliche majestat, den römischen könig,
fur unsern gnedigen fürsten und herrn, herzogen
11 So entsprechend der röm. Liturgie; vgl. Röm.
Meßbuch, 462 ff. (Ordo Missae), das Nicänum
auch Bek. Schr. 26 f.
12 Wackernagel III, Nr. 23. Ev. Kgb. Nr. 132.

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