Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0249
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1539

das es in kurz an predicanten, schulmeistem
und sonst gelerten leuten mangeln werde. Was
wil aber zuletst, wenn der predigstul wüste und
die schule ledig werden, aus der welt werden?
Solchs zu sehen und erfaren, lasse sich niemand
gelüsten.
Demnach hat in diesem fall ein erbar radt
verheissen und zugesagt, das sie ein sonderlich
aufsehens in dieser sache haben wöllen, das die
schulmeister mit einem gesellen erstlich, dar-
nach, wens die not würde erfordern, mit zweien
ehrlich versehen und gehalten werden sollen. Es
sol aber der lohn, so bisher die knaben gegeben,
und andere gebürliche (denn unzimliche sollen
nicht gedüldet werden) gerechtigkeit bleiben,
doch also und mit dem gedinge, das armer leut
kinder, so gar nichts geben können, frey sein.
Ob auch frembde knaben sich in unser schule
begeben wolten, denselbigen sol, das brot und
ihre füdung fur fromer leut thur zu samlen,
nicht verboten, sondern erleubt sein.
Der schulmeister und seine gesellen sollen
allezeit durch einen erbaren radt mit zuthun
und in beiwesen des predicanten angenomen
und bestetigt werden, und uber das, das er dar-
nach dem predicanten unterworfen, so sol er
auch gemeltem predicanten, was er fur autores
und bücher lesen wil, anzeigen, das also berad-
schlagt und vleissig bedacht werde, was der
jugent am dienlichsten sein wölle. Denn zween
sehen allezeit mehr denn einer.
Sonderlich sol ein grammatica, als nemlich
Philippi Melanthonis 35,einmal in gemelter schule
angenomen und darnach imer getrieben werden.
Denn itzt diese, morgen aber eine ander lesen,
ist der knaben verstand mehr hinderlich denn
forderlich. Desgleichen sind auch andere bücher,
so aus der schule nimmermehr komen sollen, als
nemlich Virgilius, Terentius, Erasmi Colloquia 36,
der catechismus auf bestimpte tage, wie sich
dann hirein ein gelerter schulmeister mit zuthun
und radt des predicanten wol schicken wird.
Es were auch gut, wenn man eine redliche,
frome und tugentsame frauen, die sich zur meid-

35 Vgl. oben S. 784, Anm. 54.

linzucht wolte brauchen lassen, haben künte,
das ein erbar radt derselbigen etliche freiheit
gebe und forteil erzeigete. Denn es ist der meid-
lin zucht ebensowol als der knaben nötig, wie
man denn sihet aus den historien, das die Rö-
mer zuweilen weiber gehabt, die auch in reden
etlichen mennern den preis genomen haben.
Vom kirchener oder opferman.
Es ist bey uns der opferman allezeit ehrlich
und zimlich versorgt gewesen, allein das hin-
furt ein erbar radt ein aufsehens habe, das ihm
an seiner gerechtigkeit kein abbruch geschehe.
Er sol aber auch allezeit durch einen erbarn
radt in beywesen und mit verwilligung des
predicanten angenomen und bestetigt werden,
desgleichen dem predicanten on widerbellen un-
terworfen und gehorsam sein.
Von der begrebnis.
Wie ehrlich und fein die alten ihre begrebnis
gehalten haben, sihet man aus dem einigen
exempel Josephs im ersten buch Moysi am 50.
[13], da er seinen lieben vater Jacob ins land
Canaan füren und daselbst an dem orte, wel-
chen etwa Abraham vom Ephron Etheo dazu
gekauft [Gen 23, 3-17], begraben muste. Sehen
derhalben auch fur gut an, das diejenigen, so
sich nach der lere Christi gehalten, die hoch-
wirdigen sacrament gebraucht und sich aus der
kirchen nicht gezogen haben, ehrlich durch den
pastor oder kapellan, schulmeister, schüler und
opferman geholet und begraben werden mit ge-
sengen, wie dieselbigen dem schulmeister an-
gezeigt werden sollen.
Auch wird fur gut angesehen, das der predi-
cant oder kapellan beim grab eine kurze er-
manunge thu zum volke, solche stunde des todes
wol zu beherzigen und auf des Herrn anklopfen
sich vleissig geschickt zu machen. Denn so ge-
wis das ist, das wir sterben müssen, und gleich-
wol nicht wissen können, wenn solchs geschehen
sol, so nötig ists auch, das man sich auf solche
stunde schicken und bereiten lerne, sonderlich,
36 Vgl. oben S. 784, Anm. 53.

117

931
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften