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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0264
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Hannover

Er spricht nicht: Unsere augen kennen sie.
Darumb sprechen auch wir im glauben nicht:
Ich sihe oder greife eine heilige kirchen, son-
dern: Ich gleube, das eine kirche sey, soweit
die welt gehet.
Und diese versamlunge geschicht auf erden
vor dem jüngsten tage nicht also, das die-
selbigen heiligen und rechtgleubigen leiblich
von den ungleubigen abgesondert und in ein
stat oder land gesetzt werden, sendern solang
diese vergengliche welt stehet, wandeln unter-
einander die guten und bösen, und die ware
versamlung der rechten Christen ist allenthalb
inmitten unter den gottlosen gleich wie die
schöne rosa unter den dörnen und mus von der
welt gehasset und verfolget werden. Derhalben
sie die streitbar kirche genent wird, dieweil sie
wider der welt fürsten, den teufel, wider die
glaublosen welt und auch noch wider ihr eigen
fleisch one unterlas streiten mus bis an jüng-
sten tag.
Also beschreibt Paulus, Philip. 2 [14 ff.], die
Christen oder kirche zu Philippis: Thut alles one
murmelung, one zweifel, auf das ihr seid one
tadel und lauter und Gottes kinder, unstrefflich
mitten unter dem unschlachtigem und verkertem
geschlecht, unter welchem ihr scheinet als liecht
in der welt, damit das ihr haltet ob dem wort
des lebens. Und also malet auch Christus die
streitbarn kirchenf in dem leben, Matth. 13
[47 ff.], und vergleicht sie einem fischernetz,
darin guts und böses ans land herausgezogen
wird.
Und Matth. 22 [2 ff.] lesst der könig auf seins
sons hochzeit beruffen und zusamensamlen die
bösen und die guten. Welcher aber schon hinein-
kompt ins reich Christi, in die kirchen, one das
hochzeitlich kleid, der wird wider herausgewor-
fen. Denn solche glaublose menschen komen doch
allein in die kirchen eusserlich, nach dem brauch

der sacramenten, sind aber nicht rechte glieder
der christlichen kirchen. Unter den zwelf jün-
gern Christi sass auch -Judas; er blieb aber nicht
bey ihnen, denn er war nicht aus ihnen.
Also gehets itzt in der kirchen. Wir müssen
jederman einen Christen lassen sein, der getauft
ist und gemeiner sacrament mit uns gebraucht;
das herz kennet Gott allein. Spreuer wöllen unter
dem guten korn sein, bis sie Christus selbs von-
einander sondert. Sie sind nicht alle Christen,
die Christen genent werden; sie haben nicht alle
das hochzeitlich kleid, den waren christlichen
glauben. Derhalb, ob sie schon auf die hochzeit
komen und unter den Christen sitzen, wie Simon
der zeuberer auch getauft und bey den Christen
was, Act. 8 [9 ff.], so sind sie doch nicht ware
Christen, sondern titelchristen und müssen als
die böck endlich aus diesem schaffstal verwisen
und wie das unkraut vom guten korn abgeschei-
den und ins ewig feur geworfen werden. Unser
widerpart meinet, es sey gros unrecht, das wir
sagen, die christliche kirche sey eigentlich ein
versamlung der rechten heiligen oder auserwel-
ten kinder Gottes. Sie mögen aber mit S. Au-
gustino zürnen, der auch also von der kirchen
geredt hat, De baptismo contra Donatistas lib. 5,
c. 27 6, da er die waren kirchen aus dem 4. c. [12]
der Hohenlied nennet ein verschlossenen garten,
ein spons Christi, ein verzeichneten bronnen, ein
bronnen des lebendigen wassers etc. Und sagt
daselbst, er könne solchs nicht von andern denn
von den fromen und heiligen verstehen, und
spricht, der heiligen zal sey bestimpt und ver-
sehen fur der welt erschöpfung und sey die zal
der gerechten, welche nach dem göttlichen fur-
satz beruffen sind, von denen geschrieben ist:
Gott kent die seinen [2. Tim 2, 19].
Wir haben auch in der schrift, das nicht allein
allzeit die gottlosens unter den christgleubigen
vermischt sind, sondern auch, das in der kirchen

e Die kirch ein versamlung im Geist.
f Streitbare kirche.
g Gottlose leute komen in das geistliche regiment.
6 De baptismo contra Donatistas V, 27, 38;
MSL 43, 195. CSEL 51, 293. 294.

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