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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0337
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Die ersten Nachrichten über lutherische Elemente in der Stadt zeugen davon, daß der Rat
bereits ein gewisses kirchliches Regiment für sich beanspruchte. Laut der ersten Urkunde, die
sich überhaupt mit lutherischem Wesen in Hameln befaßte, trug der Rat 1535 Sorge für die
Predigt reiner Lehre durch Berufung des Prädikanten Magister Heinrich Clare (vgl. Fink,
Urk. B u ch, Nr. 730). Drei Jahre später machten sich Unruhen in der Bürgerschaft zugunsten
der lutherischen Lehre bemerkbar, die sich gegen das den Neuerungen widerstehende Stift St.
Bonifacii richteten und vom Rat ausweichend behandelt wurden (vgl. Fink, Urk.Buch, Nr.
738). Zweifelsohne befolgte er die Taktik, das Luthertum stillschweigend zu dulden, dem Lan-
desherrn gegenüber sich jedoch nicht hierzu zu bekennen. Als seit 1540 unter der vormund-
schaftlichen Regierung der Herzogin Elisabeth die lutherische Religion im Lande eingeführt
werden sollte, bot sich bei Rat und Stadt Hameln keinerlei Schwierigkeit (vgl. Fink. Urk.
Buch. S. 1L f.). Der Rat verordnete, vielleicht noch im gleichen Jahre oder etwas später, daß
in Kirchen, Schulen und Gemeinde nur die Augsburgische Konfession Geltung haben sollte —
Andersgläubige mußten die Stadt verlassen —. daß die Tore während der Predigtzeiten ge-
schlossen, die Kirchhöfe sauber gehalten würden, verbot jeglichen Ausschank während der
Gottesdienste und dgl. mehr (vgl. Fink, Urk.Buch, Nr. 743).
Aus den Urkunden, soweit deren Bearbeitung vorliegt, geht jedoch nicht hervor, daß Ha-
meln durch den Magister Rudolf Moller, den ersten Superintendenten der Stadt, eine eigene KO
erhalten hat. Da auch Adolf Brenneke nichts von ihr weiß, wird man die Annahme ihres
Vorhandenseins doch wohl ablehnen müssen.
Hameln blieb auch unter dem katholisch gesinnten Herzog Erich 11. bei der evangelischen
Lehre, die es sich 1557 und 1563 von ihm gegen eine Steuerbewilligung bestätigen ließ (vgl.
Fink, Urk.Buch, Nr. 782 und 797).
Das Stift St. Bonifacii setzte der Reformation noch weiter hartnäckigen Widerstand ent-
gegen. Es hatte nicht nur Patronatsrechte an der Stiftskirche, sondern auch an der Marktkirche,
so daß der Rat über keinerlei Kirchengüter verfügte und somit über keinen Grundstock für
die Besoldung der Prediger und Schulkräfte. der nötig war, das beanspruchte Kirchenregiment
auszuüben. Ebenso aber war auch die Landesherrschaft an den Stiftsgütern interessiert. Gegen
beide Gegner kämpften die Stiftskanoniker mit allen Mitteln (vgl. Brenneke 2, S. 61 ff.,
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Herzogin Elisabeth bemühte sich auch um die Neuordnung des Gottesdienstes im Stift.
Auf ihre Anordnung hin mußte Anton Corvin 1542 eine interimistische Gottesdienstordnung
aufstellen (abgedruckt bei Fink, Urk.Buch , Nr. 747). Zugleich sind noch im selben Jahre
die KO der Herzogin Elisabeth und auch eine Klosterordnung dem Stift übersandt worden
mit dem Befehl, sich danach zu richten. Ob diese Ordnungen, zumal die vorgesehene Visita-
tion des Stiftes nicht stattgefunden hat (vgl. Fink, U rk.B u ch, S. LV), ins Stift gelangten,
ist nicht nachzuweisen (vgl. Fink, Urk. Buch, Nr. 749 und Anm., sowie Brenneke 2, S.63).
Zu den Schwierigkeiten, die Herzogin Elisabeth, bzw. ihr Superintendent Anton Corvin mit der
Durchführung der Gottesdienstordnung hatte, vgl. Fink, Urk.Buch (Nr.752—755, dazu S.LVf.)
und Brenneke (2, S. 63 ff.). Die Angaben S chläger s (S. 25) über die Spezialordnung der
Herzogin Elisabeth für das Stift sind infolge Fehlens seiner Quelle nicht nachprüfbar. Doch ist
nach weiteren Angaben Schlägers (S. 15 ff.) wohl nicht daran zu zweifeln, daß die KO der
Herzogin Elisabeth von 1542 Eingang in Hameln gefunden hat. Jedenfalls stellt er (S. 24) aus-
drücklich fest, daß diese KO bei der kirchlichen Neuordnung Hamelns „zur Norm“ diente.

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