Hoya
Benedictio:
Der Herr segne dich und behüte dich etc.
Man mag auch dem kranken, so ers begeret,
etliche schöne trostpsalmen fürlesen, als den 25.,
den 91., den 103., den 118., das schöne confitemini:
den 130., das 17. capitel Johannis: das gebetChristi.
Darnach35 nimpt der pastor seinen abschied
von dem kranken mit diesen oder dergleichen
worten: Lieber freund, demnach ihr aus Gottes
wort getröstet und durch eine fröliche absolu-
tion loßgesprochen von allen euern sünden, auch
zu mehrer sterkung euers glaubens mit dem leibe
und blute Christi erquicket und also allenthalben
vergewisset seid, das euch alle eure sünde war-
haftig vergeben sein und ihr nun in der gnade
Gottes stehet und wir alle semptlich mit euch
euer sache Gott im himel, euerm lieben Vater,
auf seine gnadenreiche zusage befohlen, so wird
er auch ohn zweifel euer krankheit als ein from-
mer Gott und Vater zum allerbesten wenden,
als es euch nütze und gut ist an leib und seel.
Darumb seid getrost und sprecht immerdar: Herr,
himlischer Vater, ich bin jo dein liebes kind und
dein diener oder dienerin, mache es mit mir nach
deinem willen. Allein füre mich nicht in ver-
suchung, sondern erlöse mich von allem ubel
durch Christum. Amen.
Und weil ihr euch also frölich zu Gott ganz
und gar begebet, so wünsche ich euch, Gott wolle
euch in solchem glauben, gedult, hoffnung und
anruffung gnedig erhalten, durch Christum, un-
sern Herrn. Amen.
Friede sey mit euch. Amen.
Es36 sollen auch die pastorn nicht unterlas-
sen, die kranken nach derselben gelegenheit, da
sie schwach und kleinmütig weren, oftmals zu
besuchen und sie mit Gottes wort, sonderiich mit
dem unschüldigen leiden und bittern tode des
Herrn Christi trösten, das sie die krankheit mit
35 Mit sachlich unbedeutenden Varianten findet
sich folgende Ansprache auch in der Olden-
burger KO v. 1573, in der Lüneburger KO v.
1564 und der Wolfenbüttler KO v. 1569 (Seh-
ling VI, 1, 562 f. 172).
36 Vgl. zum Folgenden Oldenburger KO v. 1573
und Wolfenbüttler KO v. 1569 (Sehling VI, 1,
172).
gedult tragen und den anfechtungen durch die
gnade Gottes einen wiederstand thun mögen,
wie sich denn ein jeder pastor hierin wol wird
wissen zu verhalten.
XVI.
Von armen, gefangenen leuten, so das
leben verwirkt haben37.
Es gebüret in allwege christlicher obrigkeit,
nicht allein die ubeltheter am leibe zu straffen,
sondern auch darnach zu trachten, das die arme
seele errettet und also beyde, leib und seel, dem
lieben Gott zum ewigen leben erhalten werden
möge. Derwegen sollen solche arme leute etliche
tage zuvor, ehe denn sie gerichtet und zum tode
verurteilet werden, an einem gelegenen, reinen
ort, da der prediger nach notturft mit ihnen
handeln könne, gebracht werden.
Ehe und bevor aber der prediger anfehet, mit
ihnen zu handeln, sol er sich befleissen, das er
durch kurze frage erkunden möge, wie der armen
leute ihr gemüte und sinn stehe. Denn wird er
fragen, wie sie dazu gekommen, worumb sie da
gefangen liegen, so werden etliche ihre misse-
that nicht bekennen wollen. Etliche werden sie
entschüldigen oder uber ander leute, so sie dazu
gebracht, klagen. Etliche werden sich mit un-
gedult vernemen lassen, als geschehe ihnen zu
viel. Etliche werden frech und trotzig sein. Etliche
aber werden sich also erzeigen, das man an wor-
ten und geberden vernemen mag, das sie sehr
bekümmert und voll leids und jammers sein.Wie
nun der prediger solche arme leute befindet, dar-
nach sol er gegen sie der gelegenheit und not-
turft nach erinnerung, straffe, vermanung, war-
nung, trost etc. gebrauchen, und solches sol aufs
einfeltigste gerichtet werden auf diese drey heupt-
stück.
37 Das Kapitel lehnt sich eng, teilweise wört-
lich, an die Oldenburger KO v. 1573 (Sehling
VII) an, die hier wiederum auf die Wolfen-
büttler KO v. 1569 (Sehling VI, 1, 172 ff.)
zurückgeht. Die Wolfenbüttler KO schickt aber
noch eine Begründung für die Gefangenen-
betreuung voraus.
1166
Benedictio:
Der Herr segne dich und behüte dich etc.
Man mag auch dem kranken, so ers begeret,
etliche schöne trostpsalmen fürlesen, als den 25.,
den 91., den 103., den 118., das schöne confitemini:
den 130., das 17. capitel Johannis: das gebetChristi.
Darnach35 nimpt der pastor seinen abschied
von dem kranken mit diesen oder dergleichen
worten: Lieber freund, demnach ihr aus Gottes
wort getröstet und durch eine fröliche absolu-
tion loßgesprochen von allen euern sünden, auch
zu mehrer sterkung euers glaubens mit dem leibe
und blute Christi erquicket und also allenthalben
vergewisset seid, das euch alle eure sünde war-
haftig vergeben sein und ihr nun in der gnade
Gottes stehet und wir alle semptlich mit euch
euer sache Gott im himel, euerm lieben Vater,
auf seine gnadenreiche zusage befohlen, so wird
er auch ohn zweifel euer krankheit als ein from-
mer Gott und Vater zum allerbesten wenden,
als es euch nütze und gut ist an leib und seel.
Darumb seid getrost und sprecht immerdar: Herr,
himlischer Vater, ich bin jo dein liebes kind und
dein diener oder dienerin, mache es mit mir nach
deinem willen. Allein füre mich nicht in ver-
suchung, sondern erlöse mich von allem ubel
durch Christum. Amen.
Und weil ihr euch also frölich zu Gott ganz
und gar begebet, so wünsche ich euch, Gott wolle
euch in solchem glauben, gedult, hoffnung und
anruffung gnedig erhalten, durch Christum, un-
sern Herrn. Amen.
Friede sey mit euch. Amen.
Es36 sollen auch die pastorn nicht unterlas-
sen, die kranken nach derselben gelegenheit, da
sie schwach und kleinmütig weren, oftmals zu
besuchen und sie mit Gottes wort, sonderiich mit
dem unschüldigen leiden und bittern tode des
Herrn Christi trösten, das sie die krankheit mit
35 Mit sachlich unbedeutenden Varianten findet
sich folgende Ansprache auch in der Olden-
burger KO v. 1573, in der Lüneburger KO v.
1564 und der Wolfenbüttler KO v. 1569 (Seh-
ling VI, 1, 562 f. 172).
36 Vgl. zum Folgenden Oldenburger KO v. 1573
und Wolfenbüttler KO v. 1569 (Sehling VI, 1,
172).
gedult tragen und den anfechtungen durch die
gnade Gottes einen wiederstand thun mögen,
wie sich denn ein jeder pastor hierin wol wird
wissen zu verhalten.
XVI.
Von armen, gefangenen leuten, so das
leben verwirkt haben37.
Es gebüret in allwege christlicher obrigkeit,
nicht allein die ubeltheter am leibe zu straffen,
sondern auch darnach zu trachten, das die arme
seele errettet und also beyde, leib und seel, dem
lieben Gott zum ewigen leben erhalten werden
möge. Derwegen sollen solche arme leute etliche
tage zuvor, ehe denn sie gerichtet und zum tode
verurteilet werden, an einem gelegenen, reinen
ort, da der prediger nach notturft mit ihnen
handeln könne, gebracht werden.
Ehe und bevor aber der prediger anfehet, mit
ihnen zu handeln, sol er sich befleissen, das er
durch kurze frage erkunden möge, wie der armen
leute ihr gemüte und sinn stehe. Denn wird er
fragen, wie sie dazu gekommen, worumb sie da
gefangen liegen, so werden etliche ihre misse-
that nicht bekennen wollen. Etliche werden sie
entschüldigen oder uber ander leute, so sie dazu
gebracht, klagen. Etliche werden sich mit un-
gedult vernemen lassen, als geschehe ihnen zu
viel. Etliche werden frech und trotzig sein. Etliche
aber werden sich also erzeigen, das man an wor-
ten und geberden vernemen mag, das sie sehr
bekümmert und voll leids und jammers sein.Wie
nun der prediger solche arme leute befindet, dar-
nach sol er gegen sie der gelegenheit und not-
turft nach erinnerung, straffe, vermanung, war-
nung, trost etc. gebrauchen, und solches sol aufs
einfeltigste gerichtet werden auf diese drey heupt-
stück.
37 Das Kapitel lehnt sich eng, teilweise wört-
lich, an die Oldenburger KO v. 1573 (Sehling
VII) an, die hier wiederum auf die Wolfen-
büttler KO v. 1569 (Sehling VI, 1, 172 ff.)
zurückgeht. Die Wolfenbüttler KO schickt aber
noch eine Begründung für die Gefangenen-
betreuung voraus.
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