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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0515
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Kirchenordnung 1581

XVII.
Von ehestiftungen und hochzeiten26d.
Erstlich ordnen wir, das keine ehe unter jun-
gen leuten bündig27 oder bestendig sein sol, so
nicht mit gutem wissen und willen, auch voll-
wort28 der eltern gemacht. Im fall aber die
eltern in Gott verstürben, sol alßdann die ehe
mit vorwissen und willen der nechsten freunde
oder vormunder aufgericht werden. Wofern aber
die kinder und jungen leute hiergegen mutwillig
oder heimlich handehi würden, wollen wir sie
ernstlich straffen und die heimlichen ehe nach
rhat des consistorii wiederumb aufheben und
trennen.
Zum andern29 ordnen wir, das unsere pastorn
und prediger sich der frembden, anlaufenden
personen, so ehelich werden wollen, nicht an-
nemen sollen, sie haben denn gute, bestendige
gezeugnis, woher sie sein und wie sie von an-
dern örtern abgescheiden sein. Und diese ge-
zeugnis sollen sie unserm amptsverwaltern und
pastori ubergeben.
Zum dritten sollen alle die, so ehelich werden
wollen, ihres glaubens bekentnis ihrem pastori
thun, ihren catechismum erzelen, beichten und
die absolution empfahen, eine zusage thun eines
christlichen und ehrlichen lebens und wandels
und sich zum nachtmal des Herrn bereiten, fer-
ner auch bescheid geben, worumb der ehestand
von Gott eingesetzt sey und sich darnach auf-
kündigen und zusammengeben lassen. Und so
unsere pastorn solches nicht befördern, sondern
verachten würden, sollen sie unser ungnade ge-
wertig sein.
Zum vierden: Nachdem wir erfaren, wie man
bißweilen unter unsern unterthanen in ehestif-
tung gar gefehrlich und unordentlich gehandelt,
also das nach dem einmal beschlossenen ehe-

26d Abs. 1-3 dieses Artikels entsprechen KO 73,
Art. XVII, Sect. I u. III (Funck, 159 f. Richter
II, 356 f.).
27 = bindend, verbindlich; vgl. Grimm, Deut-
sches Wörterbuch II (1860), 521.
28 = Zustimmung, Einwilligung.
29 Druckvorlage: Zum dritten.

handel der eine teil dem andern seines gefallens
wiederumb abdanken lassen, dardurch dann die-
sem christlichen stande eine schmach angehengt
und die conscientien an den personen, so mitein-
ander ehelich versprochen sein, verwundet und
beschweret werden, so wollen wir demnach solch
leichtfertigs und unbedachts vorhaben hiemit
ernstlich verboten und einen jeden gewarnet ha-
ben, das er sampt den seinen solche hochwich-
tige hendel mit wolvorbedachtem rhat seiner
freunde, pastor und seelsorger vorneme und durch
dieselben der personen, so ehelich werden sollen,
gemüt, willen und zuneigung gegeneinander fleis-
sig erkunde und erfrage, ob eins zum andern
lust und liebe habe, damit wir keine freye, un-
verlobte und unverknüpfte personen zum ehe-
stand dringen wollen, nachdem solche gezwun-
gene ehe selten wolgerhaten. Und was darnach
durch unterhandlung und gezeugnis solcher fro-
mer, ehrlicher leute beschlossen und verabschei-
det wird, darauf sich auch die herzen des breut-
gams und braut zusammenthun und für Gott
ehelich verbinden, das sol und muß für eine
göttliche ehe gehalten werden, darauf auch der
christliche kirchgang und offentliche einsegen
und gezeugnis des predigampts folgen sol. So
sich hierinnen jemands vergreifen würde, der-
selb sol, andern zum abscheulichen exempel,ernst-
lich gestrafft werden und nichtdestoweniger der
ehesach halben unsers consistorii erkentnis ge-
warten.
Es sol auch in den matrimonialcontracten oder
ehestiftungen kein peen oder bürgschaft für den
wiederruff oder raukauf, als in kaufhendeln ge-
breuchlich, ernant oder aufgesetzt werden, son-
dern was einmal abgeredet, stett und fest bleiben.
Dieweil man auch contractis sponsalibus biß-
her grosse unkosten auf die lobebier30 gewendet,
30 Das Trinken des „Lobelbieres“ besiegelte den
Ehekontrakt, ebenso wie das Trinken des
Weines oder dgl. beim „Weinkauf“ (vgl. oben
S. 864, Anm. 6). Nach R. Sohm wurde der
„symbolische Muntschatz“ zum Bezahlen des
„Lobelbieres“ verwandt. Mit dem Trinken
des „Lobelbieres“ wurde das Rechtsgeschäft
abgeschlossen. Vgl. R. Sohm, Das Recht der
Eheschließung. 1875, 31 f.

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