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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0240
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Goslar

30. Mandat zum pünktlichen Erscheinen beim Kirchgang der Brautleute, 1612 (Text S. 343)
In der „Neuen Ordnung“ von 1548 waren als Termine für die Trauungen der Sonntagnachmittag (vor 16
Uhr) und der Montagmorgen (vor 10 Uhr) vorgesehen. Wenn die Brautleute nicht pünktlich erschienen,
sollten der Pfarrer, der Kaplan oder Küster die Kirche zusperren. Das Paar wurde dann mit einer Buße von
zwei Mark belegt (Nr. 18, S. 295f.). Für die Verspätungen waren anscheinend aber weniger die Brautleute
selbst verantwortlich als vielmehr die Gäste. In seinem Mandat ermahnt der Rat deshalb die Gäste zur
Pünktlichkeit.
23. Bestätigung des Rates über die ihm von den Stiftsherren von St. Simon und Judas eingeräumte
Verwendung von vier Präbenden, 25. März 1555 (Text S. 317) / 29. Vertrag zwischen dem Rat der Stadt
Goslar und dem Kapitel des Stifts St. Simon und Judas, 4. Mai 1605 (Text S. 341) / 31. Vertrag zwischen
dem Rat der Stadt Goslar und dem Kapitel des Stifts St. Simon und Judas, 17. Januar 1617 (Text S. 344)
Nach den Mahnungen Kaiser Karls V. in seinem Mandat vom 31. Oktober 1530 (s. oben S. 183) hatte der
Rat im Umgang mit dem Stift und seinen Angehörigen zwar eine gewisse Zurückhaltung an den Tag
gelegt344, trotzdem geriet das Stiftskapitel mit zunehmender Zeit mehr und mehr in die Defensive und war
zur Aufgabe eigener Positionen und zu Zugeständnissen gegenüber dem Rat und der Stadt gezwungen345.
Von dieser Entwicklung zeugen die drei zwischen dem Stiftskapitel und dem Rat getroffenen Vereinbarun-
gen aus den Jahren 1555, 1605 und 1617.
Mit der im März 1555 erzielten Einigung überließen die Kapitularen dem Rat auf dessen „dringende
Bitte“ hin, die Erträge aus vier vakanten Präbenden des Stiftes für die Unterhaltung der städtischen
Schulen, da diese - nach der Auskunft des Rates - aus den Mitteln des Gemeinen Kastens allein nicht
finanziert werden konnten. Darüber hinaus sagten die Stiftsherren dem Rat zu, weitere freiwerdende Pfrün-
den zur Förderung von Schulen und Bürgerkindern zu verwenden. Im Gegenzug versprach der Rat, dem
Stift bei der Einziehung von Pachtgeldern, Renten und Zinsen Hilfe zu leisten. Mit der Vereinbarung von
1555 war eine langjährige Forderung der evangelischen Geistlichkeit zumindest teilweise erfüllt. Bereits
1534/35 hatte der Superintendent Eberhard Widensee in seiner „Reformation“ für das Stift St. Simon und
Judas verlangt, die Gelder aus freiwerdenden Pfründen zur Unterstützung mittelloser Studenten zu ver-
wenden. In die gleiche Richtung ging auch der Vorschlag, den die Prädikanten dem Rat in ihrer Eingabe
von 1544 unterbreiteten, nämlich die Vikarien der beiden Stifte St. Simon und Judas und St. Peter affster-
ven zu lassen und die Mittel für das Studium von Goslarer Bürgerkindern zu benutzen346.
Weit größere Zugeständnisse machten die Stiftsherren in den beiden Verträgen vom Mai 1605 und
Januar 1617. Auch wenn das Kapitel des Stifts St. Simon und Judas 1566 mehrheitlich zum evangelischen
Glauben übergegangen war und spätestens 1585 mit der Annahme der neuen Statuten Propst und Scho-
laster als die wichtigsten Vertreter des alten Glaubens aus dem Kapitel ausschieden347, scheint sich das
Verhältnis zwischen den Stiftsherren und dem Rat nicht grundlegend gebessert zu haben. Auch das evan-
gelische Kapitel beharrte weiter auf seinen Rechten und Privilegien. Nur ein Jahr nach der Approbation der
Statutensammlung übersandte der Rat den Stiftsherren ein umfangreiches Heft mit „Gravamina“348. Darin
führte der Rat, der nach abschaffung der pabstlichen inspectorn unndt bischoffen für sich als Obrigkeit das Ius
inspectionis in Anspruch nahm, auch eine Reihe von Forderungen auf. Eine der Forderungen betraf dabei
die Auslieferung der für die Finanzierung der Schulen vorgesehenen Erträge aus den vier vakanten Prä-
344 Vgl. Lohse, Dauer der Stiftung, S. 130. 348 „Gravamina [...] contra die capitularen des stifts SS.
345 Ebd., S. 128f. Simonis et Judae und S. Petri“ (StadtA Goslar Domstift-
346 Vgl. Nr. 11, S. 265 und Nr. 16a, S. 285. akten 1582-1587, S. 69-87).
347 Zu den Statuten vgl. Frölich, Goslarer Domstift,
S. 108f.

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