90
Telekleides
wies κομψός eine durchaus facettenreiche semantische Vielfalt im Gebrauch
auf (vgl. Willi 2003, 93). Als unmittelbar vergleichbare Parallele für die Be-
zeichnung der Zuschauer als κομψοί erweist sich das vieldiskutierte Cratin.
fr. 342 (τίς δε σύ; κομψός τις έροιτο θεατής. / ύπολεπτολόγος, γνωμιδιώκτης,
εύριπιδαριστοφανίζων; beim Zitatträger ist von Aristophanes die Rede, der
dessen Verhöhnung wegen und zugleich der Imitation des Euripides halber
seinerseits von Kratinos verspottet werde; vgl. aber die Interpunktion nach
Pieters 1946, z.St.): hier kommt dem Zuschauer insofern das Attribut κομψός
zu, als er imstande ist, die subtile Argumentationweise, die sentenzenreichen
Gedankengänge, kurzum die aristophanischen Anspielungen auf diese dur-
chaus euripideischen Mittel zu verstehen (vgl. O’Sullivan 2006; Arethas zitiert
anschließend Ar. fr. 488 [Skenas katalambanousai] χρώμαι γάρ αυτού τού
στόματος τω στρογγύλω, / τούς νοΰς δ’ αγοραίους ήττον ή ’κεϊνος ποιώ).
Unter Heranziehung weiterer Passagen bei Aristophanes, Euripides und Platon
läßt sich feststellen, daß κομψός gleichsam ein Schlüsselwort für die Evokation
sophistischen Gedankenguts beim athenischen Publikum ist. So etwa in ei-
nem längeren Abschnitt der aristophanischen Wolken, in dem Sokrates seinem
Gegenüber Strepsiades einiges über die Rhythmik beizubringen versucht, um
für κομψόν έν συνουσία (Ar. Nub. 649) gehalten zu werden (vgl. Dover 1968,
z.St.: ,,‘discriminating’ or ‘accomplished’“, mit Verweis auf Chantraine 1945);
aufgrund der sophistischen Stilisierung des Sokrates in den Wolken und der
unmittelbar darauffolgenden Passage über die grammatischen Genera (vgl.
Willi 2003, 98-100. 118), die direkt auf Protagoras zurückgeht (Nub. 658-93),
wird hierbei die Rolle der Sophisten in der kultivierten Gesellschaft der Zeit
deutlich. In Ar. Ran. 967-8 wird Theramenes ό κομψός als σοφός γ’ άνήρ καί
δεινός είς τα πάντα ,ein schlauer und zu allem gescheiter Mann“ bezeichnet:
mit einer Junktur, die Sokrates in Plat. Prot. 341a (λέγω ότι Πρωταγόρας σοφός
καί δεινός έστιν άνήρ) - um den zweideutigen Usus von δεινός zu erklären -
auf die Figur des Protagoras zuschneiden wird.93 Theramenes werde ferner,
wie gemäß der Überlieferung Euripides selbst, zu den Schülern des Prodikos
von Keos zu zählen sein (vgl. Scholten 2003, 135 und, für das vermeintliche
Verhältnis zwischen Euripides und Sokrates, zu fr. 41. 42). In Ar. Equ. 18 wird
93 Vgl. Worman 2004,5: „Aristophanes repeatedly characterizes the polished (kompsos)
style as woman’s chatter (lalia) and attributes it to pallid, feminized Speakers [...].
In Frogs, the sophistic Euripides is called a „mouth-worker“ (στοματουργός, 826), a
word that denotes a style too glib and finely wrought. Aristophanes’ Knights coins
a special term for this mode: κομψευριπικώς“; vgl. O’Sullivan 1992, 19-20. 137-9
(mit Verweis auf Ar. Ach. 429. 705, Equ. 1381, Nub. 931. 1003. 1053, Ran. 91. 815.
841. 943. 1069. 1071. 1160. 1492).
Telekleides
wies κομψός eine durchaus facettenreiche semantische Vielfalt im Gebrauch
auf (vgl. Willi 2003, 93). Als unmittelbar vergleichbare Parallele für die Be-
zeichnung der Zuschauer als κομψοί erweist sich das vieldiskutierte Cratin.
fr. 342 (τίς δε σύ; κομψός τις έροιτο θεατής. / ύπολεπτολόγος, γνωμιδιώκτης,
εύριπιδαριστοφανίζων; beim Zitatträger ist von Aristophanes die Rede, der
dessen Verhöhnung wegen und zugleich der Imitation des Euripides halber
seinerseits von Kratinos verspottet werde; vgl. aber die Interpunktion nach
Pieters 1946, z.St.): hier kommt dem Zuschauer insofern das Attribut κομψός
zu, als er imstande ist, die subtile Argumentationweise, die sentenzenreichen
Gedankengänge, kurzum die aristophanischen Anspielungen auf diese dur-
chaus euripideischen Mittel zu verstehen (vgl. O’Sullivan 2006; Arethas zitiert
anschließend Ar. fr. 488 [Skenas katalambanousai] χρώμαι γάρ αυτού τού
στόματος τω στρογγύλω, / τούς νοΰς δ’ αγοραίους ήττον ή ’κεϊνος ποιώ).
Unter Heranziehung weiterer Passagen bei Aristophanes, Euripides und Platon
läßt sich feststellen, daß κομψός gleichsam ein Schlüsselwort für die Evokation
sophistischen Gedankenguts beim athenischen Publikum ist. So etwa in ei-
nem längeren Abschnitt der aristophanischen Wolken, in dem Sokrates seinem
Gegenüber Strepsiades einiges über die Rhythmik beizubringen versucht, um
für κομψόν έν συνουσία (Ar. Nub. 649) gehalten zu werden (vgl. Dover 1968,
z.St.: ,,‘discriminating’ or ‘accomplished’“, mit Verweis auf Chantraine 1945);
aufgrund der sophistischen Stilisierung des Sokrates in den Wolken und der
unmittelbar darauffolgenden Passage über die grammatischen Genera (vgl.
Willi 2003, 98-100. 118), die direkt auf Protagoras zurückgeht (Nub. 658-93),
wird hierbei die Rolle der Sophisten in der kultivierten Gesellschaft der Zeit
deutlich. In Ar. Ran. 967-8 wird Theramenes ό κομψός als σοφός γ’ άνήρ καί
δεινός είς τα πάντα ,ein schlauer und zu allem gescheiter Mann“ bezeichnet:
mit einer Junktur, die Sokrates in Plat. Prot. 341a (λέγω ότι Πρωταγόρας σοφός
καί δεινός έστιν άνήρ) - um den zweideutigen Usus von δεινός zu erklären -
auf die Figur des Protagoras zuschneiden wird.93 Theramenes werde ferner,
wie gemäß der Überlieferung Euripides selbst, zu den Schülern des Prodikos
von Keos zu zählen sein (vgl. Scholten 2003, 135 und, für das vermeintliche
Verhältnis zwischen Euripides und Sokrates, zu fr. 41. 42). In Ar. Equ. 18 wird
93 Vgl. Worman 2004,5: „Aristophanes repeatedly characterizes the polished (kompsos)
style as woman’s chatter (lalia) and attributes it to pallid, feminized Speakers [...].
In Frogs, the sophistic Euripides is called a „mouth-worker“ (στοματουργός, 826), a
word that denotes a style too glib and finely wrought. Aristophanes’ Knights coins
a special term for this mode: κομψευριπικώς“; vgl. O’Sullivan 1992, 19-20. 137-9
(mit Verweis auf Ar. Ach. 429. 705, Equ. 1381, Nub. 931. 1003. 1053, Ran. 91. 815.
841. 943. 1069. 1071. 1160. 1492).