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Telekleides
Eid‘) sollte v.a. angesichts der dorischen Herkunft vom ebenfalls hierfür zitier-
ten Epicharmos (vgl. hier unten, Interpretation) als haltlos betrachtet werden
(vgl. Olson 2008, z.St.).
Interpretation Die κράμβη ist der Kohlkopf (Brassica cretica-, zum Kohl in
der Antike Dalby 2003, 67; zum Namen Strömberg 1940, 24), in der Literatur
bereits [Hom.] Batrach. 53. 163. Das attische Wort lautet eigentlich ράφανος
(Apollod. Car. fr. 32) und erscheint in der Komödie v.a. gekocht als Heilmittel
gegen Trunkenheit (vgl. Arnott 1996, zu Alex. 15,7 [Apeglaukömenos] und
Deinen 2006, 307). ναι μά gehört zu Schwurformeln seit Hom. A 234 (ναι μά
τόδε σκήπτρον, Achilleus bei seinem Szepter) und h.Merc. 460 (ναι μά τόδε
κρανέινον άκόντιον, Apollon bei seinem Speer; die Datierung des Hermes-
Hymnus erstreckt sich bis ins 5. Jh. v.Chr.: in diesem Fall wäre Hipponax - vgl.
hier unten - der früheste nachhomerische Beleg für eine vai μά-Schwurformel;
generell zum Eid in der Antike Hirzel 1902).
Ein Eid ,beim Kohlkopf“ dürfte zwar als komischer Witz verstanden wer-
den, dem Kohlkopf ist jedoch eine bereits erwähnte sakrale Komponente
nicht fremd, wie Hippon. fr. 104,47-8 W.2 = 107,47-8 Deg. (ό δ’ έξολισθών
ικέτευε τήν κράμβην / τήν έπτάφυλλον) zeigt: hier bittet jemand um einen
siebenblättrigen Kohlkopf, dem Pandora anläßlich des Targelien-Festes einen
Kuchen (ekchytos) statt eines Opferbocks (pharmakos) zu spenden pflegte (vgl.
Degani 1984, 268-70). Diese Passage eröffnet eine Reihe von Bezeugungen
für den Gebrauch der krambe in Schwurformeln: auf Anan. fr. 4 W. (και
σε πολλόν άνθρώπων / εγώ φιλέω μάλιστα, ναι μά τήν κράμβην) folgen
Telekleides und Epich. fr. 22 [Ga kai Thalassa] (ναι μά τάν κράμβαν) und zum
Schluß Eup. fr. 84 [Baptai] ([A.] άνόσια πάσχω ταϋτα vai μά τάς Νύμφας. /
[Β.] πολλοϋ μεν ούν δίκαια ναι μά τάς κράμβας ,[Α.] diese Freveltaten erleide
ich, bei den Nymphen! / [B.] Durchaus zu Recht, bei den Kohlköpfen!“).143
Mit κραμβότατος wird in Ar. Equ. 539 (άπό κραμβοτάτου στόματος μάττων
άστειοτάτας έπινοίας) wohl auf die Nüchternheit des Komikers Krates ange-
spielt, aus dessen Mund nur eine einfallsreiche Urbanität hervorgeht, wurde
doch der Kohlkopf gegen die Betrunkenheit verwendet (Bonanno 1972, 36-9).
Auch angesichts der metrischen Form liegt es nahe, daß sich die Komö-
diendichter von der (chol)iambischen Tradition inspirieren ließen (so Kugel-
meier 1996, 190-1), wozu auch Eidesformeln bei anderen Pflanzenarten
143 Zum Eid in der griechischen Gesellschaft vgl. Sommerstein 2007; zu komischen
Schwurformeln vgl. Riess 1897 (insbes. 197, mit Telekleides-Zitat), Patzer 2003, 96;
vgl. auch Hirzel 1902, 96 A. 2. 100 A. 3 und Kleinknecht 1937, 85-6 (hier wird für
den Ausdruck - als „potz Kraut“ treffend wiedergegeben - eine Nachahmung des
Ananios durch Epicharmos, dann Telekleides und Eupolis angenommen).
Telekleides
Eid‘) sollte v.a. angesichts der dorischen Herkunft vom ebenfalls hierfür zitier-
ten Epicharmos (vgl. hier unten, Interpretation) als haltlos betrachtet werden
(vgl. Olson 2008, z.St.).
Interpretation Die κράμβη ist der Kohlkopf (Brassica cretica-, zum Kohl in
der Antike Dalby 2003, 67; zum Namen Strömberg 1940, 24), in der Literatur
bereits [Hom.] Batrach. 53. 163. Das attische Wort lautet eigentlich ράφανος
(Apollod. Car. fr. 32) und erscheint in der Komödie v.a. gekocht als Heilmittel
gegen Trunkenheit (vgl. Arnott 1996, zu Alex. 15,7 [Apeglaukömenos] und
Deinen 2006, 307). ναι μά gehört zu Schwurformeln seit Hom. A 234 (ναι μά
τόδε σκήπτρον, Achilleus bei seinem Szepter) und h.Merc. 460 (ναι μά τόδε
κρανέινον άκόντιον, Apollon bei seinem Speer; die Datierung des Hermes-
Hymnus erstreckt sich bis ins 5. Jh. v.Chr.: in diesem Fall wäre Hipponax - vgl.
hier unten - der früheste nachhomerische Beleg für eine vai μά-Schwurformel;
generell zum Eid in der Antike Hirzel 1902).
Ein Eid ,beim Kohlkopf“ dürfte zwar als komischer Witz verstanden wer-
den, dem Kohlkopf ist jedoch eine bereits erwähnte sakrale Komponente
nicht fremd, wie Hippon. fr. 104,47-8 W.2 = 107,47-8 Deg. (ό δ’ έξολισθών
ικέτευε τήν κράμβην / τήν έπτάφυλλον) zeigt: hier bittet jemand um einen
siebenblättrigen Kohlkopf, dem Pandora anläßlich des Targelien-Festes einen
Kuchen (ekchytos) statt eines Opferbocks (pharmakos) zu spenden pflegte (vgl.
Degani 1984, 268-70). Diese Passage eröffnet eine Reihe von Bezeugungen
für den Gebrauch der krambe in Schwurformeln: auf Anan. fr. 4 W. (και
σε πολλόν άνθρώπων / εγώ φιλέω μάλιστα, ναι μά τήν κράμβην) folgen
Telekleides und Epich. fr. 22 [Ga kai Thalassa] (ναι μά τάν κράμβαν) und zum
Schluß Eup. fr. 84 [Baptai] ([A.] άνόσια πάσχω ταϋτα vai μά τάς Νύμφας. /
[Β.] πολλοϋ μεν ούν δίκαια ναι μά τάς κράμβας ,[Α.] diese Freveltaten erleide
ich, bei den Nymphen! / [B.] Durchaus zu Recht, bei den Kohlköpfen!“).143
Mit κραμβότατος wird in Ar. Equ. 539 (άπό κραμβοτάτου στόματος μάττων
άστειοτάτας έπινοίας) wohl auf die Nüchternheit des Komikers Krates ange-
spielt, aus dessen Mund nur eine einfallsreiche Urbanität hervorgeht, wurde
doch der Kohlkopf gegen die Betrunkenheit verwendet (Bonanno 1972, 36-9).
Auch angesichts der metrischen Form liegt es nahe, daß sich die Komö-
diendichter von der (chol)iambischen Tradition inspirieren ließen (so Kugel-
meier 1996, 190-1), wozu auch Eidesformeln bei anderen Pflanzenarten
143 Zum Eid in der griechischen Gesellschaft vgl. Sommerstein 2007; zu komischen
Schwurformeln vgl. Riess 1897 (insbes. 197, mit Telekleides-Zitat), Patzer 2003, 96;
vgl. auch Hirzel 1902, 96 A. 2. 100 A. 3 und Kleinknecht 1937, 85-6 (hier wird für
den Ausdruck - als „potz Kraut“ treffend wiedergegeben - eine Nachahmung des
Ananios durch Epicharmos, dann Telekleides und Eupolis angenommen).