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Incertarum fabularum fragmenta (fr. 44)

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Anzeige abgekauft haben, er sei von seiner Mutter gekauft worden.169 Der Fall
des Nikias wird etwas komplexer formuliert: der Sprecher kommentiert die
Information über die vier Minen, die derselbe Sykophant von Nikias bekam,
mit einer Art Kompliment. Anders als bei Charikles werden die Gründe für die
Bezahlung verschwiegen, obgleich der Sprecher - und mit ihm wahrscheinlich
das ganze Publikum - über dieselben informiert ist. Daß Nikias im Vergleich
zu Charikles das Vierfache für sein ,Geheimnis“ bezahlen mußte, deutet wohl
auf etwas wesentlich Brisanteres hin (vgl. Olson 2007, 214). Trotz Nikias’
Charakterisierung als feige (vgl. hier oben, Zitatkontext, S. 212)170 wird er bei
Telekleides schließlich wie ein vernünftiger Mensch dargestellt.
In einer aus byzantinischer Zeit stammenden Bezeugung findet sich be-
züglich des Nikias eine Erwähnung, die sich ebenso für das Telekleides-Fragment
als von Interesse erweisen dürfte: Theod. Metoch. Mise. p. 608 Müller-Kiessling
(και Νικίαν Ύπέρβολος συχνάκις έφόβει ταϊς άπειλαΐς, ανδρα σωφρονικόν καί
χρηστόν τω ήθει καί γένει καί πλούτω καί στρατηγικαΐς έμπειρίαις εμποντα,
καί δεδιττόμενος καί χαλεπωτάτους ύπεγείρων αύτω πολλάκις περί τής ψυχής
κινδύνους, πλεΐσθ’ όσα τής εκείνου περιουσίας, καί τής των τρόπων εύλαβείας
καί μετριότητας έκαρποϋτο χρήματα). Hierin hängt Metochites von Plut. Alcib.
13 und Nie. 11 ab, die Art und Weise aber, wie Hyperbolos’ Verhältnis zu Nikias
geschildert wird (er bedroht ihn und v.a. nimmt ihm Geld ab), hat nur im
Telekleides-Fragment, welches Metochites selbstredend durch die Eektüre des
Zitatträgers Plutarch kannte, eine stringente Parallele.171 Die Schwierigkeit ei-
ner Identifikation des namenlosen Sykophanten mit dem radikalen Demagogen
Hyperbolos, ist jedoch chronologischer Natur. Hyperbolos wurde im J. 417
v.Chr. durch Ostrakismos verbannt, wohingegen der politische Auftritt des
Charikles frühestens ins J. 415 zu setzen ist. Es liegt mithin nahe, daß diese

169 Wilamowitz 1877, 366 kontextualisiert diese Angabe anhand ähnlicher verleumde-
rischer Aussagen über die Geburt wie etwa Aristophanes’ Witz über Theramenes
als ού Χίος άλλα Κεϊος oder Demosthenes’ Behauptung, Aischines’ Eltern sollen
Tromes und Empousa geheißen haben.
170 Vgl. auch Gomme 1970, zulhuc. V 16,1, Christ 1998,113 („Nicias is a prime example
of a man whose timidity, as well as his wealth, makes him a favourite victim of
sykophants“), Mesturini 2001, 127-9 und Osborne 2010, 2010-1.
171 Vgl. Connor 1972, 569-70: „He [d.h. Metochites] also teils us that Hyperbolus kept
Nicias frightened with frequent attacks and made money by such harassment.
These details are not to be found in quite this form elsewhere, although they are
fully consistent with the characterization of Nicias in Plutarch Nicias 4 and 8 and
in the comic fragments cited there, especially Telecleides fr. 41 (Edmonds). The
Opposition of Nicias and Hyperbolus, moreover, is well known from Plutarch Nicias
11 and other passages“.
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