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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung am 18. Oktober 2003 in Mannheim
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Wenzel, Friedemann: Der gespannte Planet Erde - Die Weltspannungskarte in Forschung und Praxis
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0074
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86 | SITZUNGEN

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
Herr Friedemann Wenzel hält einen Vortrag: „Der gespannte Planet Erde - Die Welt-
spannungskarte in Forschung und Praxis“
Die Weltspannungskarte, eine Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften, zielt auf die globale Kompilation von Spannungsmessungen mit
anerkannten Verfahren und einheitlicher Bewertung. Sie stellt einen fundamentalen
geowissenschaftlichen Datensatz zur Beurteilung von Stabilitätsproblemen in der
Erdkruste dar und dient damit als Datenbasis für tektonische Fragestellungen, die
Beurteilung der seismischen Gefährdung und erlaubt gleichzeitig tektonische Pro-
bleme der Kohlenwasserstoffindustrie (Bohrlochstabilität) und des Tiefbaus (Stabilität
tiefer Deponien, Tunnel, Bergwerke) zu adressieren.
Begriff, Geschichte, Messung von Spannungen
Zum ersten Mal in der Geschichte der Naturwissenschaften erscheint die Spannung,
wenn auch nicht begrifflich explizit, in Galileo Galileis discorsi (1638). Dort wird
die Festigkeit eines einseitig eingespannten Balkens diskutiert, dessen freies Ende
belastet ist. Galilei erkennt, dass die Festigkeit vom der Querschnittsfläche abhängt,
wenn die Last (also die Kraft) gleich bleibt. Damit wurde implizit die Zugspannung
im Balken als essentiell für ein Bruchkriterium erkannt. Die Begriffe Spannung und
Dehnung, wie wir sie heute benutzen, wurden erst 1822 von Augustin Cauchy
mathematisch und physikalisch korrekt definiert. Ein Grund für diesen fast 200 Jahre
dauernden Prozess liegt dann, dass der Spannungszustand eines Mediums nur durch
einen (symmetrischen) Tensor dargestellt werden kann, der im dreidimensionalen
Raum sechs unabhängige Komponenten hat. Die Dateneinträge der WSM enthal-
ten nicht den gesamten Tensor, da dieser praktisch nie vollständig gemessen wird.
Man geht davon aus, dass in der Erde eine Hauptspannung vertikal nach unten zeigt
und charakterisiert das Spannungsfeld dann durch die Richtung des maximalen
horizontalen Hauptspannung (SH) und falls bekannt durch die Information, ob die
vertikale Hauptspannung die größte der Hauptspannung, die kleinste oder die mitt-
lere ist. Mit letzterer Information ist die Tektonik als Abschiebungs-, Aufschiebungs-
und Blattverschiebungsregime charakterisiert.
Spannungen kann man prinzipiell nicht direkt messen. Es gibt keinen Span-
nungsmesser. Vielmehr muss immer zuerst eine Deformation gemessen werden, aus
der dann die Spannungsinformation abgeleitet wird. So wird etwa ein Wasserdruck
aus der Deformation einer Membran bestimmt. Die Richtung von SH kann oft aus
so genannten Bohrlochrandausbrüchen bestimmt werden, die häufig auftreten, wenn
die horizontalen Hauptspannungen unterschiedlich groß sind, weil sich dann starke
Tangentiaispannungen an der Bohrlochwand aufbauen, die zu Ausbrüchen von Tei-
len der Bohrlochwand führen können. Diese Ausbrüche erfolgen senkrecht zur
Richtung von SH. Auch aus Erdbebenaufzeichnungen kann man zunächst nur die
Lage der Bruchfläche und die Richtung des Versatzes auf der Fläche ableiten. Nach-
dem aber Bruchflächen je nach tektonischem Regime unterschiedlich reaktiviert
werden, kann man in der Regel die Richtung von SH ermitteln. Weitere Span-
 
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