112 | ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN
Festzustellen ist, daß auf der einen Seite ausdrücklich der Wunsch der Politik
steht, gut beraten zu werden. Dieser Wunsch findet jedoch umgehend seine Grenzen
ebendort, wo diese Beratung unangenehme Konsequenzen für die Beratenen nach
sich zu ziehen vermag. Korrespondierend entspringt der Wissenschaft aus ihrer
Neutralität die Verantwortung zu beraten — notfalls auch ungebeten. Dem wider-
spricht die faktisch gegebene Situation, „daß Beratung nur dort erfolgreich sein
kann, wo sie auch nachgefragt ist“, wie Renate Mayntz, Gründungsdirektorin des
Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, feststellte. Auch sei immer
wieder festzustellen, daß die Integrität nicht jedes Wissenschaftlers per se gewähr-
leistet ist. Vor allem dann nicht, wenn Geld und Prestige mit im Spiel seien.
Doch nicht zuletzt die Auswahl der richtigen Fachleute könne allererst sachliche
Kompetenz gewährleisten. Für dieses Procedere Regeln zu finden, bleibe entschei-
dend.
Die problematische Rolle der Medien analysierte Graf Kielmansegg, Sekretär
der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaf-
ten. Im Wirkungsdreieck Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit komme ihnen sei-
ner Ansicht nach eine wesentliche Vermittlerrolle zu. Wie diese auf der einen Seite
unverzichtbar sei, um Ergebnisse bündig zu den Bürgern zu transportieren, so sei die
Form der Präsentation jedoch oft mangelhaft und nachgerade kontraproduktiv:
„Durch verknappte oder dramatisierende Berichterstattung kann auf den heiklen
Verbund von Politik und Wissenschaft ein unangemessener Handlungsdruck aus-
geübt werden. Als Beispiel sei der enorme Handlungsdruck auf die Politik benannt,
der etwa im Zuge der BSE-Krise deutlich wurde.“ In solchen Situationen könne
durch die Rolle der Medien eine Situation entstehen, auf die manche Verantwortli-
che mit reinem Aktionismus reagierten. Denn nur durch dieses rituelle Agieren
sähen sie sich noch in der Lage, ihr politisches Überleben zu gewährleisten. Einem
sachgerechten Handeln sei dies jedoch keineswegs zuträglich. Auch wenn den an kri-
tischen Entscheidungsprozessen Beteiligten deutlich bewußt sei, daß erst aufgrund
mitunter langwieriger wissenschaftlicher Untersuchungen die für das Gemeinwohl
beste Lösung gefunden werden könne, reiche die Zeit dazu oft gar nicht aus, einen
sachgerechten Maßnahmenkatalog zu entwickeln und diese bestmöglichen Hand-
lungsoptionen schließlich praktisch wahrzunehmen. „Wir finden uns in einem sol-
chen Fall vor dem Problem, daß diese schlechte Vermittlung von für die Öffentlich-
keit per se relevanten Fakten durch die Medien einer Problemlösung letztendlich
sogar im Wege steht“, so Graf Kielmansegg.
Bei den bestehenden Beratungsstrukturen, die sich in Deutschland an der
Grenze zur Anarchie bewegen, kommt es immer wieder zu nachgerade fatalen Situa-
tionen, wie Ortwin Renn, Direktor der Akademie für Technikfolgenabschätzung in
Baden-Württemberg, aus langjähriger Praxis zu berichten wußte. „Nach einer
Zählung der Enquete-Kommission zur nachhaltigen Entwicklung gibt es mittler-
weile über 600 wissenschaftliche Gremien, die beratende Funktionen ausüben.
Aufgrund dieser überbordernden Menge existiert zu wenig Transparenz, welche
Entscheidungen von wem und aufgrund welcher Prozesse getroffen werden. So
erfolgte beispielsweise die Gründung eines beratenden Gremiums, dessen Aufgabe
Festzustellen ist, daß auf der einen Seite ausdrücklich der Wunsch der Politik
steht, gut beraten zu werden. Dieser Wunsch findet jedoch umgehend seine Grenzen
ebendort, wo diese Beratung unangenehme Konsequenzen für die Beratenen nach
sich zu ziehen vermag. Korrespondierend entspringt der Wissenschaft aus ihrer
Neutralität die Verantwortung zu beraten — notfalls auch ungebeten. Dem wider-
spricht die faktisch gegebene Situation, „daß Beratung nur dort erfolgreich sein
kann, wo sie auch nachgefragt ist“, wie Renate Mayntz, Gründungsdirektorin des
Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, feststellte. Auch sei immer
wieder festzustellen, daß die Integrität nicht jedes Wissenschaftlers per se gewähr-
leistet ist. Vor allem dann nicht, wenn Geld und Prestige mit im Spiel seien.
Doch nicht zuletzt die Auswahl der richtigen Fachleute könne allererst sachliche
Kompetenz gewährleisten. Für dieses Procedere Regeln zu finden, bleibe entschei-
dend.
Die problematische Rolle der Medien analysierte Graf Kielmansegg, Sekretär
der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaf-
ten. Im Wirkungsdreieck Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit komme ihnen sei-
ner Ansicht nach eine wesentliche Vermittlerrolle zu. Wie diese auf der einen Seite
unverzichtbar sei, um Ergebnisse bündig zu den Bürgern zu transportieren, so sei die
Form der Präsentation jedoch oft mangelhaft und nachgerade kontraproduktiv:
„Durch verknappte oder dramatisierende Berichterstattung kann auf den heiklen
Verbund von Politik und Wissenschaft ein unangemessener Handlungsdruck aus-
geübt werden. Als Beispiel sei der enorme Handlungsdruck auf die Politik benannt,
der etwa im Zuge der BSE-Krise deutlich wurde.“ In solchen Situationen könne
durch die Rolle der Medien eine Situation entstehen, auf die manche Verantwortli-
che mit reinem Aktionismus reagierten. Denn nur durch dieses rituelle Agieren
sähen sie sich noch in der Lage, ihr politisches Überleben zu gewährleisten. Einem
sachgerechten Handeln sei dies jedoch keineswegs zuträglich. Auch wenn den an kri-
tischen Entscheidungsprozessen Beteiligten deutlich bewußt sei, daß erst aufgrund
mitunter langwieriger wissenschaftlicher Untersuchungen die für das Gemeinwohl
beste Lösung gefunden werden könne, reiche die Zeit dazu oft gar nicht aus, einen
sachgerechten Maßnahmenkatalog zu entwickeln und diese bestmöglichen Hand-
lungsoptionen schließlich praktisch wahrzunehmen. „Wir finden uns in einem sol-
chen Fall vor dem Problem, daß diese schlechte Vermittlung von für die Öffentlich-
keit per se relevanten Fakten durch die Medien einer Problemlösung letztendlich
sogar im Wege steht“, so Graf Kielmansegg.
Bei den bestehenden Beratungsstrukturen, die sich in Deutschland an der
Grenze zur Anarchie bewegen, kommt es immer wieder zu nachgerade fatalen Situa-
tionen, wie Ortwin Renn, Direktor der Akademie für Technikfolgenabschätzung in
Baden-Württemberg, aus langjähriger Praxis zu berichten wußte. „Nach einer
Zählung der Enquete-Kommission zur nachhaltigen Entwicklung gibt es mittler-
weile über 600 wissenschaftliche Gremien, die beratende Funktionen ausüben.
Aufgrund dieser überbordernden Menge existiert zu wenig Transparenz, welche
Entscheidungen von wem und aufgrund welcher Prozesse getroffen werden. So
erfolgte beispielsweise die Gründung eines beratenden Gremiums, dessen Aufgabe