Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

DOI chapter:
I. Das Geschäftsjahr 2003
DOI chapter:
Nachrufe
DOI article:
Dransfeld, Klaus: Ludwig Genzel (17.2.1922 - 27.1.2003)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0153
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ludwig Genzel | 165

zu machen. So ist es wohl kein Zufall, daß auch der Sohn Reinhard Genzel heute
am MPI für Extraterrestrische Forschung und als Professor of Physics in Berkeley
mit infraroter Strahlung experimentiert, die in diesem Fall allerdings aus der Nähe
des galaktischen Zentrums kommt.
In seiner Habilitationsarbeit (1953-55) konzentrierte sich Ludwig Genzel zum
ersten Mal ganz auf den ferninfraroten Spektralbereich, der sich oberhalb der infra-
roten Wellenlängen von 50 Mikrometer bis in den Bereich der mm-Wellen erstreckt.
Weil die Meßtechnik für so lange Wellenlängen und bei so schwachen Intensitäten
noch wenig entwickelt war, wußte man damals nur wenig über das Verhalten der
Materie in diesem Spektralbereich. Ludwig Genzel sah wohl damals schon in der
Weiterentwicklung der Ferninfrarot-Spektroskopie ein Hauptziel für seine zukünf-
tige Arbeit.
Als ideenreicher und begeisterter Experimentator widmete er sich zunächst
der Verbesserung der Meßtechnik in diesem Spektralgebiet. Zwar hatte er in seiner
Habilitationsarbeit demonstriert, daß man schon mit einem optimalisierten Gitter-
spektrographen bis zu den mm-Wellenlängen vordringen kann, aber die Nachweis-
empfindlichkeiten waren gering und die erforderlichen Meßzeiten entsprechend
lang. Daher entwickelte seine Frankfurter Gruppe zur Spektroskopie im fernen
Infrarot eine neue Methode mit zwei interferierenden Strahlen (in Lammellar- oder
Michelson-Geometrie). Dabei wird die Länge eines Teilstrahls gegenüber dem ande-
ren moduliert. Durch Interferenz beider Strahlen entsteht als Meßsignal ein zeitab-
hängiges Interferogramm, aus dem durch Fouriertransformation (FT) mit Hilfe eines
Computers das Intensitätsspektrum der gemessenen Strahlung berechnet wird. Der
Vorteil dieser Methode gegenüber der klassischen sequentiellen Gitterspektroskopie
lag in der wesentlich höheren Nachweisempfindlichkeit und daher erheblich kürze-
ren Meßzeit zur Aufnahme eines Spektrums. Em schon in Frankfurt von Ludwig
Genzel gemeinsam mit seinen Mitarbeitern entworfenes Fourier-Transform-Inter-
ferometer (in einer Michelson-Anordnung) wurde später kommerziell hergestellt
und wird auch heute noch weltweit in zahlreichen Forschungseinrichtungen einge-
setzt. Der Erfolg und die umfassende Verbreitung der FT-IR-Spektroskopie für For-
schung und Analytik in Physik, Chemie und Biologie sind der Kreativität von Lud-
wig Genzel zu verdanken.
Während des anschließenden Stipendienaufenthaltes an der Ohio-State Uni-
versity in den USA (1958—59) übte sein dortiger kompetenter und zugleich beschei-
dener Infrarot-Kollege Professor Ely E. Bell einen starken Einfluß auf Ludwig
Genzel aus. An die warme Aufnahme bei seinem Gastgeber erinnerte sich Ludwig
Genzel noch lange, und diese Erfahrung beeinflußte wohl auch seinen eigenen spä-
teren Umgang mit Studenten, Kollegen und Gästen. In den USA begann Ludwig
Genzel erste grundlegende Untersuchungen über die Ursache der temperaturab-
hängigen Absorption von lonenkristallen im Ferninfraroten. Wie er später zusam-
men mit Professor Heinz Bilz zeigen konnte, sind hierfür Multiphonon-Prozesse,
d.h. Übergänge zwischen thermisch besetzten Phonon-Zuständen, verantwortlich.
So entstand die langjährige so fruchtbare freundschaftliche Zusammenarbeit mit
Heinz Bilz bis zu dessen frühem Tod im Jahre 1986.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften