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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0296
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308 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

diese beiden scheinbar alternativen, letztlich aber doch komplementären Weisen der
Wirklichkeitserfassung aufeinander bezogen werden, kurz: em von Grund auf dis-
kursives Moment kultureller Selbstvergewisserung und Selbstsetzung.
Das Ziel des Projektes ist es dementsprechend, das Verhältnis von symbolischer
und universalisierter Rationalität im historischen Prozeß zu erforschen. Als Unter-
suchungszeitraum bietet sich in erster Lime das Mittelalter als diejenige Periode an,
in der sich in einer für die Geschichte Europas besonders maßgeblichen Gestalt
Tendenzen eines Universalisierungsgeschehens sowie die sukzessive Herausbildung
jenes charakteristischen Neben- und Miteinanders beider Denkweisen quellenmäßig
beobachten lassen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen folglich nicht Zeiträume,
Personen und Kontexte, in denen sich Rationalisierungsschübe im „klassischen“
Sinne manifestieren, sondern die hochgradig ambivalenten Übergangs- und Rand-
bereiche, in denen positive wie negative Bezüge der beiden Sphären aufeinander mit
besonderer Klarheit hervortreten.
Auf der Grundlage von vier Teilprojekten fassen wir diese Randbereiche in
drei verschiedenen historischen Phasen in den Blick: Zwei einander ergänzende Teil-
projekte untersuchen die Herausbildung und Konsolidierung des universalisierten
Denkens sowie der Interferenz beider Rationalitätsformen mit Blick aufTrivium
und Quadrivium (9.—13. Jh.); das dritte Teilprojekt fragt nach der Bedeutung sym-
bolischer Welterschließung in Phasen vermeintlicher Dominanz der universalisierten
Denkweise (13.—15. Jh.); das vierte Teilprojekt schließlich erforscht die Verschrän-
kung symbolischer und universalisierter Formen der Welterschließung in Zeiten
dezidierter Rückbesinnung auf ältere Traditionen (15./16. Jh.) und in Abgrenzung
gegen und Bezugnahme auf andere, außereuropäische Kulturen (Islam).
Symbol und Universale
Unter dem Vorrang der symbolischen Denkweise beziehen sich die beiden genann-
ten Perspektiven auf die Welt in einem diskursiven Vermittlungsgeschehen aufeinan-
der, das zugleich einen geschichtlichen Prozeß konstituiert. Diesem letzteren gilt das
Interesse des Forschungsprojektes, das so die europäische Kultur — in relevanten Aus-
schnitten — unter dem Aspekt ihrer historischen Selbstsetzung zu rekonstruieren ver-
sucht. Grundlegend hierfür ist die wechselseitige Relationalität und Komplementa-
rität der symbolischen und der universalisierten Dimension der Rationalität. Beide
Erkenntnismodi lassen sich als Reflexe des zwar ‘natürlich’ vorgegebenen, in seinen
Konsequenzen zugleich aber kulturstiftenden Bedürfnisses des Menschen begreifen,
sich in seiner Umwelt zu positionieren. Denn bei seinem Versuch, sich in eine Bezie-
hung zur Wirklichkeit zu setzen, sieht sich der Mensch dem nicht einfachhin lösba-
ren Problem der zirkulären Grundstruktur seines Denkens und Erkennens konfron-
tiert. Einerseits nämlich erhebt die menschliche ratio ihre Inhalte im Ausgang vom
sinnlich aufgefaßten Einzelnen, die sie möglichst präzise zu bestimmen sucht. Doch
muß sie andererseits schon voraussetzen, was sie dort sucht, um es überhaupt finden
zu können, mehr noch: Sie muß vor jeder sinnlich fundierten Erfahrungserkenntnis
bereits das Weltganze kennen, um innerhalb dieser Welt Einzeldinge als solche auf-
 
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