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FESTAKT
Zeit zum Vorschein zu helfen behauptet, während er die Institution gleichzeitig
in die Zange nimmt, die gerade dadurch in Atemnot geraten könnte. Da greift die
private Habsucht gerne — natürlich mit altruistischen Vorwänden — nach öffent-
lichen Gemeinschaftsgütern, um sie sich ohne viel Rücksicht auf individuelle
Eigentumsrechte einzuverleiben, während manche Disziplinen eben darum kämp-
fen, dass das öffentliche Gut Wissenschaft nicht maßlos überteuert — also nochmals
besteuert! — privatisiert wird. Während der Steuerzahler erwarten darf, dass, was er
für alle leistet, nicht nur einigen wenigen zugute kommt, sondern auch internatio-
nal weithin zugänglich — also Open Access — bleibt. Sicher ein verwickeltes juristi-
sches Problem, denn auch sorgfältige Begutachtung und Herausgabe haben ihren
Preis, aber einmal mehr verdeutlichend, dass es in einer Gemeinschaft keine der All-
gemeinheit dienende Wissenschaft geben kann, wenn sie nicht durch rechtsstaatli-
che urheberrechtliche Regelungen dafür sorgt, dass die kreativen Köpfe weiter für
den gemeinsamen Nutzen wirken können, dabei aber auch ihre Institutionen intakt
bleiben und eben dadurch ihre Gemeinschaftsaufgabe erfüllen können. Dazu sind
gerade Institutionen am besten geeignet, die sich in langer Tätigkeitszeit bewähren
konnten, die zwar das Bewahrenswerte erhalten, aber dennoch dabei frisch geblie-
ben sind.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu unseren deutschen Universitäten sagen:
dem Eckstein unseres akademischen Systems (für manche freilich auch der Stolper-
stein!). Darüber gibt es natürlich eine immense gelehrte und nicht so gelehrte feuil-
letonistische Literatur, — auch über ihre Beziehungen zu Akademien — die sich gar
nicht überblicken lässt. Dazu viele weise Ratschläge von sich überzeugten Räten aus
aller Welt, die man freilich nicht alle gleich ernst nehmen muss, da beraten halt oft
auch nur zu deutlich von raten kommt. Auch gibt es angeblich zuverlässige quantita-
tive, szientometrische Indikatoren, denen zumindest ich trotzdem keineswegs immer
glaube — unter anderem, weil Einschaltquoten selten viel über die Qualität von Sen-
dungen erkennen lassen, und manchmal die damit verfolgten Politik- und Karrier-
einteressen allzu deutlich hervortreten.
Doch die Universitäten waren eben viele Jahrzehnte lang mein wirklicher
Lebensraum, da glaubt man manches einigermaßen gut zu kennen, auch Leichen, die
an einem wieder vorbeischwimmen, wenn man lange genug am Fluss sitzt, wie die
alten Chinesen sagten. Zwar lohnt es sicher, dazu Schleiermacher und Fichte zu ken-
nen, vor allem auch was Wilhelm von Humboldt gesagt und — wie manche nun
sagen: vermeintlich — damit bewirkt hat. Auch die Rede, die Oskar Hertwig — Bio-
loge wie ich - zum Gedächtnis des Stifters der Berliner Universität, König Friedrich
Wilhelm III, am 3.8.1905 über die Aufgaben der Universitäten bei der Bildung jun-
ger Menschen gehalten hat (wobei mich vor allem beeindruckte, was er zu ver-
mehrtem Frauenstudium und überhaupt über die Notwendigkeit, mehr Frauen und
Männer an den Hochschulen auszubilden, schon vor über einem Jahrhundert zu
sagen hatte!). Auch gilt manches weiterhin, was John Henry Newman, als Kind
zusammen mit dem später berühmten Agnostiker Thomas Huxley von dessen Vater
unterrichtet, — was einen lehrt, was Unterricht bewirken kann! —, später Rektor der
katholischen Universität Dublin und noch später nach seiner Konversion als Kardi-
FESTAKT
Zeit zum Vorschein zu helfen behauptet, während er die Institution gleichzeitig
in die Zange nimmt, die gerade dadurch in Atemnot geraten könnte. Da greift die
private Habsucht gerne — natürlich mit altruistischen Vorwänden — nach öffent-
lichen Gemeinschaftsgütern, um sie sich ohne viel Rücksicht auf individuelle
Eigentumsrechte einzuverleiben, während manche Disziplinen eben darum kämp-
fen, dass das öffentliche Gut Wissenschaft nicht maßlos überteuert — also nochmals
besteuert! — privatisiert wird. Während der Steuerzahler erwarten darf, dass, was er
für alle leistet, nicht nur einigen wenigen zugute kommt, sondern auch internatio-
nal weithin zugänglich — also Open Access — bleibt. Sicher ein verwickeltes juristi-
sches Problem, denn auch sorgfältige Begutachtung und Herausgabe haben ihren
Preis, aber einmal mehr verdeutlichend, dass es in einer Gemeinschaft keine der All-
gemeinheit dienende Wissenschaft geben kann, wenn sie nicht durch rechtsstaatli-
che urheberrechtliche Regelungen dafür sorgt, dass die kreativen Köpfe weiter für
den gemeinsamen Nutzen wirken können, dabei aber auch ihre Institutionen intakt
bleiben und eben dadurch ihre Gemeinschaftsaufgabe erfüllen können. Dazu sind
gerade Institutionen am besten geeignet, die sich in langer Tätigkeitszeit bewähren
konnten, die zwar das Bewahrenswerte erhalten, aber dennoch dabei frisch geblie-
ben sind.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu unseren deutschen Universitäten sagen:
dem Eckstein unseres akademischen Systems (für manche freilich auch der Stolper-
stein!). Darüber gibt es natürlich eine immense gelehrte und nicht so gelehrte feuil-
letonistische Literatur, — auch über ihre Beziehungen zu Akademien — die sich gar
nicht überblicken lässt. Dazu viele weise Ratschläge von sich überzeugten Räten aus
aller Welt, die man freilich nicht alle gleich ernst nehmen muss, da beraten halt oft
auch nur zu deutlich von raten kommt. Auch gibt es angeblich zuverlässige quantita-
tive, szientometrische Indikatoren, denen zumindest ich trotzdem keineswegs immer
glaube — unter anderem, weil Einschaltquoten selten viel über die Qualität von Sen-
dungen erkennen lassen, und manchmal die damit verfolgten Politik- und Karrier-
einteressen allzu deutlich hervortreten.
Doch die Universitäten waren eben viele Jahrzehnte lang mein wirklicher
Lebensraum, da glaubt man manches einigermaßen gut zu kennen, auch Leichen, die
an einem wieder vorbeischwimmen, wenn man lange genug am Fluss sitzt, wie die
alten Chinesen sagten. Zwar lohnt es sicher, dazu Schleiermacher und Fichte zu ken-
nen, vor allem auch was Wilhelm von Humboldt gesagt und — wie manche nun
sagen: vermeintlich — damit bewirkt hat. Auch die Rede, die Oskar Hertwig — Bio-
loge wie ich - zum Gedächtnis des Stifters der Berliner Universität, König Friedrich
Wilhelm III, am 3.8.1905 über die Aufgaben der Universitäten bei der Bildung jun-
ger Menschen gehalten hat (wobei mich vor allem beeindruckte, was er zu ver-
mehrtem Frauenstudium und überhaupt über die Notwendigkeit, mehr Frauen und
Männer an den Hochschulen auszubilden, schon vor über einem Jahrhundert zu
sagen hatte!). Auch gilt manches weiterhin, was John Henry Newman, als Kind
zusammen mit dem später berühmten Agnostiker Thomas Huxley von dessen Vater
unterrichtet, — was einen lehrt, was Unterricht bewirken kann! —, später Rektor der
katholischen Universität Dublin und noch später nach seiner Konversion als Kardi-