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FESTAKT
Innovation geheißen, wenn er sich denn vermarkten lässt — , aber dessen Folgen sol-
len alle ertragen, auch wenn sie mit den bestehenden Zuständen doch eigentlich
ganz zufrieden gewesen wären. Denn gegen Erdbeben, Schnupfen oder Krebs gibt’s
wenig aus den Forschungslabors — aber an allem möglichen Schnickschnack oder an
neuen, teureren Waffen für die Dritte Welt ist kein Mangel, und die Menschheit soll
gerne weiterdarben, damit irgendwelche Clowns aus Wissenschaft und Technik den
Mars erreichen, und dabei doch oft nur hinter dem Mond bleiben? Manche Raum-
fantasten wollen unsere schöne Erde — mit ihrer einmaligen Biosphäre — sogar lieber
zu Grund gehen lassen und uns empfehlen, im Weltraum nach einem anderen Pla-
neten Ausschau zu halten, als nachhaltige Verzichte zu üben: zu allererst auf nochmals
vermehrte, immer habsüchtigere Menschen — diesen schlauesten, aber auch unbe-
grenzt gierigen Primaten, der wir doch anscheinend geblieben sind, allen schönen
Moralpredigten zum Trotz!
Und der gepriesene „Outreach“, mit Wissenschaftszügen und Forschungs-
schiffen und TV-Sendungen, in denen Akademiker mit ihrem Kreuzworträtselwissen
prunken können, ist doch oft auch nur Werbung für die Vermarktung der Wissen-
schaft, die den Steuerzahler eher einlullen als zu der Frage verleiten soll, ob er all
die Wissensschätze eigentlich haben möchte: Sie mögen gerne an die Erhaltung
denkmalgeschützter Bauten, natürlich um der Wissenschaft willen, oder an den
Erwerb teurer Handschriften und Kunstwerke, selbstverständlich um der Wissen-
schaft willen, oder die technische Perfektion auf kreisförmigen Bahnen rasender
Boliden oder Elementarteilchen denken, für die wir die Unsummen — auf Kosten
anderer, versteht sich - als gute Akademiker eben einfach nicht scheuen dürfen
(wobei ich immer einmal an den Stoßseufzer eines archäologischen oder palaeoan-
thropologischen DFG-Fachgutachters denken muß, der fragte, ob man denn das
oder jenes Fragment nicht auch noch im nächsten Jahrhundert ausgraben könnte,
wenn es doch schon ein paar Tausend oder Millionen Jahre ungestört in der Wüste
im Boden lag!).
Diese und andere Fragen bringen mich jedoch zum zweiten Teil meines
Vortrages. Nachdem ich nämlich in einigen Andeutungen klargemacht habe, was
Universitäten idealerweise sein könnten, sollten wir doch auch fragen: Wozu sie die
Gesellschaft eigentlich benötigt? Dass sie Wissen zugänglich machen und erhalten,
trifft gewiss zu, wäre aber doch eine recht selbstdienliche Begründung, in der der
wissenschaftliche Uroborus genüsslich an seinem Schwanz kaute, denn daß ausge-
rechnet die Wissenschaft nichts oder wenig von sich halten sollte, hieße doch zu viel
Selbstkritik von ihr zu erwarten - fast als gäbe es nur noch Geistes- oder Sozialwis-
senschaften! Wissenschaft ist doch einfach der Gipfel der Kultur, und Kultur zeich-
net uns nun einmal als Menschen gegenüber der Natur aus: also, was gibt es da noch
lange zu fragen? Freilich, ein Beckmesser könnte vielleicht doch wissen wollen, ob
nicht der Rechtsstaat den Gipfel der Kultur darstellt, — aber papperlapapp: da wird
eben das Recht einfach zur Wissenschaft erklärt oder die Ökonomie oder die Theo-
logie oder die Psychoanalyse — alle werden so eingemeindet und siegen gemeinsam
über die Zweifel einfach Zahlungspflichtiger, aber dennoch geradeaus denkender
Menschen.
FESTAKT
Innovation geheißen, wenn er sich denn vermarkten lässt — , aber dessen Folgen sol-
len alle ertragen, auch wenn sie mit den bestehenden Zuständen doch eigentlich
ganz zufrieden gewesen wären. Denn gegen Erdbeben, Schnupfen oder Krebs gibt’s
wenig aus den Forschungslabors — aber an allem möglichen Schnickschnack oder an
neuen, teureren Waffen für die Dritte Welt ist kein Mangel, und die Menschheit soll
gerne weiterdarben, damit irgendwelche Clowns aus Wissenschaft und Technik den
Mars erreichen, und dabei doch oft nur hinter dem Mond bleiben? Manche Raum-
fantasten wollen unsere schöne Erde — mit ihrer einmaligen Biosphäre — sogar lieber
zu Grund gehen lassen und uns empfehlen, im Weltraum nach einem anderen Pla-
neten Ausschau zu halten, als nachhaltige Verzichte zu üben: zu allererst auf nochmals
vermehrte, immer habsüchtigere Menschen — diesen schlauesten, aber auch unbe-
grenzt gierigen Primaten, der wir doch anscheinend geblieben sind, allen schönen
Moralpredigten zum Trotz!
Und der gepriesene „Outreach“, mit Wissenschaftszügen und Forschungs-
schiffen und TV-Sendungen, in denen Akademiker mit ihrem Kreuzworträtselwissen
prunken können, ist doch oft auch nur Werbung für die Vermarktung der Wissen-
schaft, die den Steuerzahler eher einlullen als zu der Frage verleiten soll, ob er all
die Wissensschätze eigentlich haben möchte: Sie mögen gerne an die Erhaltung
denkmalgeschützter Bauten, natürlich um der Wissenschaft willen, oder an den
Erwerb teurer Handschriften und Kunstwerke, selbstverständlich um der Wissen-
schaft willen, oder die technische Perfektion auf kreisförmigen Bahnen rasender
Boliden oder Elementarteilchen denken, für die wir die Unsummen — auf Kosten
anderer, versteht sich - als gute Akademiker eben einfach nicht scheuen dürfen
(wobei ich immer einmal an den Stoßseufzer eines archäologischen oder palaeoan-
thropologischen DFG-Fachgutachters denken muß, der fragte, ob man denn das
oder jenes Fragment nicht auch noch im nächsten Jahrhundert ausgraben könnte,
wenn es doch schon ein paar Tausend oder Millionen Jahre ungestört in der Wüste
im Boden lag!).
Diese und andere Fragen bringen mich jedoch zum zweiten Teil meines
Vortrages. Nachdem ich nämlich in einigen Andeutungen klargemacht habe, was
Universitäten idealerweise sein könnten, sollten wir doch auch fragen: Wozu sie die
Gesellschaft eigentlich benötigt? Dass sie Wissen zugänglich machen und erhalten,
trifft gewiss zu, wäre aber doch eine recht selbstdienliche Begründung, in der der
wissenschaftliche Uroborus genüsslich an seinem Schwanz kaute, denn daß ausge-
rechnet die Wissenschaft nichts oder wenig von sich halten sollte, hieße doch zu viel
Selbstkritik von ihr zu erwarten - fast als gäbe es nur noch Geistes- oder Sozialwis-
senschaften! Wissenschaft ist doch einfach der Gipfel der Kultur, und Kultur zeich-
net uns nun einmal als Menschen gegenüber der Natur aus: also, was gibt es da noch
lange zu fragen? Freilich, ein Beckmesser könnte vielleicht doch wissen wollen, ob
nicht der Rechtsstaat den Gipfel der Kultur darstellt, — aber papperlapapp: da wird
eben das Recht einfach zur Wissenschaft erklärt oder die Ökonomie oder die Theo-
logie oder die Psychoanalyse — alle werden so eingemeindet und siegen gemeinsam
über die Zweifel einfach Zahlungspflichtiger, aber dennoch geradeaus denkender
Menschen.