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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2009
DOI Kapitel:
Zentenarfeier am 3. und 4. Juli 2009
DOI Kapitel:
Festakt am 4. Juli 2009
DOI Artikel:
Markl, Hubert: Akademische Wissenschaft und wirtschaftlicher Erfolg: Forschung im Zangengriff vielfältiger Interessen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0051
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66 I

FESTAKT

staatlichen Schutzschirm sammeln wollen, um ihre Verluste und ihren Mehrbedarf
vom Steuerzahler zu erhalten ( wenn nicht zu erpressen), der sie doch oder ihre Kin-
der am Ende nur selber sind; bläht sich nach der Finanzrisiken-Blase eine gewaltige
globale öffentliche Verschuldungs-Blase, deren Rechnung von der Politik an kom-
mende Generationen weitergereicht wird, die auch den stärksten Dollar oder Euro
in die Knie zwingen könnte. Die Politik scheint die bedrohliche Weltwirtschafts-
krise dabei nach dem Rezept des Barons von Münchhausen lösen zu wollen, indem
sie sich mit jedem Nachtrags- und Nebenhaushalt am eigenen Schopfe aus dem
selbst angerichteten Morast zieht. Jedenfalls kann man daraus lernen: Wenn schon
Pleite gehen, dann wenigstens in einem Wahljahr!
In solcher Lage kann es gar keine Zweifel daran geben, dass unsere Hoch-
schulen dann wenigstens hervorragenden (wenn schon immer weniger werdenden)
Nachwuchs in angemessener Zeit ausbilden müssen, vor allem Nachwuchs in den
Wissenschaften — wie Naturwissenschaft,Technik, Medizin usw. —, den die Wirtschaft
künftig genauso dringend braucht, wie die öffentliche Hand wohl kaum ohne
besonders kundige Rechtswissenschaftler oder Ökonomen zurechtkommt, vor allem
dann, wenn sie immer mehr volkseigene Banken und Betriebe schafft. Innovationen
gibt es nun einmal nicht ohne jene, die sie — durch Lehre und Forschung dazu ange-
leitet — hervorbringen können, allerdings auch nicht ohne jene vielen, die diese
neuen Waren und Dienstleistungen auch kaufen können müssen — ohne Arbeitsplätze
werden sie die Mittel dafür nicht haben — oder kommt nach der „staatlichen Ret-
tung“ vielleicht sogar der Kaufzwang? Und immer reichlicher wachsen dabei die
öffentlichen Schulden: sage einer wir hätten kein Wachstum!
Ein Zweites ist ebenso wenig zu bestreiten: jede Universität oder Forschungs-
einrichtung ist auch ein Betrieb, und zwar oft ein recht großer Betrieb, mit vielen
Arbeitsplätzen, und gehört daher auch als solcher geführt: schlank, effizient, auf-
gabenbewusst, rechenschaftspflichtig und erfolgreich! Es wird den Wissenschaftlern
daher nur nutzen, wenn sie endlich vom Honoratiorensessel aufstehen, sich weniger
vergöttern als vergattern lassen, und dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter tüchtig am
gleichen Seil in gleicher Richtung ziehen: zumal wenn sie beanspruchen wollen,
exzellentes Ansehen durch exzellente Leistungen (nicht nur Exzellenz-Versprechun-
gen) zu liefern. Ein bißchen von Betrieben zu lernen, die diesen Anspruch schon
immer erfüllen und auf den Märkten täglich einlösen mußten, kann da nicht scha-
den. Akademisches Ansehen kommt nicht dadurch zu kurz, dass eine Universität her-
vorragend funktioniert und sich auch noch nützlich macht, im Gegenteil. Sicher
benötigt sie dafür die notwendigen Voraussetzungen — materiell, finanziell, geistig,
organisatorisch — aber vielleicht erhält sie diese gerade dann reichlicher, wenn sie
diese effizient und zielstrebig einsetzt und nicht „akademisch verplempert“.
Em dritter Punkt darf auch nicht vergessen werden: auch geistige Leistungen in
Lehre und Forschung werden in den meisten Disziplinen durch Wettbewerb beflügelt,
Konkurrenz belebt sie gerade dann, wenn sie durch das Zusammenwirken der Besten
verschiedener Herkunft — ethnisch, männlich und weiblich, von diversen Überzeu-
gungen geleitet — und von Disziplinen mit verschiedenen Erfahrungen gewinnt; Wett-
bewerb benötigt Diversität und Diversität braucht und bringt Wettbewerb!
 
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