23. Oktober 2009
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Etwas anders und ausführlicher: Das Reale ist nicht epistemisch in sich verschlossen,
wie ein schwarzes Loch, aus dem keine Information entweichen kann, sondern
offen, epistemisch zugänglich, aber natürlich nicht für einen Standpunkt außerhalb
seiner, sondern offen in sich selbst für endliche Subjekte mit je beschränkter
Erkenntnisperspektive. Das Reale ist demnach an ihm selber so verfaßt, daß es eine
überpersönliche, neutrale, aperspektivische oder gar vollständige Erkenntnis seiner
nicht zuläßt.
Diese Lehre ist keine Relativitätstheorie, die ihrerseits auf einem übergeord-
neten, absoluten Standpunkt formuliert wäre und womöglich so etwas wie Transfor-
mationsgleichungen anzubieten hätte, mittels deren die Standpunkte der verschiede-
nen Subjekte ineinander überführt werden könnten.Vielmehr ist die Subjektivitäts-
these so standpunktgebunden wie letztlich alles, was gesagt oder gedacht werden
kann.
Natürlich gibt es Faustregeln dafür, wie die Standpunkte verschiedener
Subjekte aufeinander zu beziehen sind, sonst wäre eine gemeinsame Sprache nicht
möglich. Wenn ich einem Kind in einer Wahrnehmungssituation das Wort „Hund“
beibringen will, muß ich eine Vorstellung davon haben, was das Kind gerade sieht
— ob es auf den Hund vor seinen Füßen dicht oder zum Himmel hoch schaut, wo
die Schwalbe fliegt. Und wir können uns sowohl in Wirklichkeit als auch in
Gedanken an die Stelle anderer Personen versetzen, mit ihnen die Plätze tauschen,
um wahrzunehmen, was sie wahrnehmen. Aber aus prinzipiellen Gründen müssen
die Regeln des sich an die Stelle anderer Versetzens Faustregeln bleiben. Das
Anderssein der Anderen, ihre Alterität, läßt sich nicht restlos in epistemisches Wohl-
gefallen auflösen. Das Reale ist, was es ist, jeweils nur in unhintergehbar perspekti-
vischer Weise.
Dem tragen wir im Sprechen und Denken Rechnung durch indexikalische
Ausdrücke, die auf das sprechende Subjekt rückbezogen sind, wie Demonstrativa
(„dies“), Personalpronomina („ich“), Orts- und Zeitadverbien („hier“, „jetzt“), und
das Tempus verbi. Wird ein Bereich der Sprache systematisch von indexikalischen
Ausdrucksmitteln gereinigt, wie in mustergültiger Weise die Sprache der Mathema-
tik, so eignet sich dieser Teildiskurs nicht mehr als eine Universalsprache, in der alles
ausgedrückt werden kann, was der Fall ist.
2. Beweisidee für die Antinomiethese
Es gibt zwei Argumente für die Antinomiethese, die unabhängig voneinander sind,
aber sich wechselseitig verstärken: eine theoretische Überlegung und ein Beispiel.
Die Überlegung geht aus von Operationen im Leerlauf, die dennoch brauch-
bare Resultate liefern. In der Mengenlehre etwa kann man sich fragen, ob es eine
nichtleere Menge gibt, in die man kein Element investieren muß. Durch das Fun-
dierungsaxiom wird diese Frage negativ entschieden. Wenn man aber einmal das
Fundierungsaxiom durch ein geeignetes Antifundierungsaxiom ersetzt, kann man
zeigen, daß es genau eine Menge gibt, die sich selbst als einziges Element enthält: die
Einermenge-ihrer-selbst: Q = {Q} = {{Q}} = = {{{•■•}}}•
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Etwas anders und ausführlicher: Das Reale ist nicht epistemisch in sich verschlossen,
wie ein schwarzes Loch, aus dem keine Information entweichen kann, sondern
offen, epistemisch zugänglich, aber natürlich nicht für einen Standpunkt außerhalb
seiner, sondern offen in sich selbst für endliche Subjekte mit je beschränkter
Erkenntnisperspektive. Das Reale ist demnach an ihm selber so verfaßt, daß es eine
überpersönliche, neutrale, aperspektivische oder gar vollständige Erkenntnis seiner
nicht zuläßt.
Diese Lehre ist keine Relativitätstheorie, die ihrerseits auf einem übergeord-
neten, absoluten Standpunkt formuliert wäre und womöglich so etwas wie Transfor-
mationsgleichungen anzubieten hätte, mittels deren die Standpunkte der verschiede-
nen Subjekte ineinander überführt werden könnten.Vielmehr ist die Subjektivitäts-
these so standpunktgebunden wie letztlich alles, was gesagt oder gedacht werden
kann.
Natürlich gibt es Faustregeln dafür, wie die Standpunkte verschiedener
Subjekte aufeinander zu beziehen sind, sonst wäre eine gemeinsame Sprache nicht
möglich. Wenn ich einem Kind in einer Wahrnehmungssituation das Wort „Hund“
beibringen will, muß ich eine Vorstellung davon haben, was das Kind gerade sieht
— ob es auf den Hund vor seinen Füßen dicht oder zum Himmel hoch schaut, wo
die Schwalbe fliegt. Und wir können uns sowohl in Wirklichkeit als auch in
Gedanken an die Stelle anderer Personen versetzen, mit ihnen die Plätze tauschen,
um wahrzunehmen, was sie wahrnehmen. Aber aus prinzipiellen Gründen müssen
die Regeln des sich an die Stelle anderer Versetzens Faustregeln bleiben. Das
Anderssein der Anderen, ihre Alterität, läßt sich nicht restlos in epistemisches Wohl-
gefallen auflösen. Das Reale ist, was es ist, jeweils nur in unhintergehbar perspekti-
vischer Weise.
Dem tragen wir im Sprechen und Denken Rechnung durch indexikalische
Ausdrücke, die auf das sprechende Subjekt rückbezogen sind, wie Demonstrativa
(„dies“), Personalpronomina („ich“), Orts- und Zeitadverbien („hier“, „jetzt“), und
das Tempus verbi. Wird ein Bereich der Sprache systematisch von indexikalischen
Ausdrucksmitteln gereinigt, wie in mustergültiger Weise die Sprache der Mathema-
tik, so eignet sich dieser Teildiskurs nicht mehr als eine Universalsprache, in der alles
ausgedrückt werden kann, was der Fall ist.
2. Beweisidee für die Antinomiethese
Es gibt zwei Argumente für die Antinomiethese, die unabhängig voneinander sind,
aber sich wechselseitig verstärken: eine theoretische Überlegung und ein Beispiel.
Die Überlegung geht aus von Operationen im Leerlauf, die dennoch brauch-
bare Resultate liefern. In der Mengenlehre etwa kann man sich fragen, ob es eine
nichtleere Menge gibt, in die man kein Element investieren muß. Durch das Fun-
dierungsaxiom wird diese Frage negativ entschieden. Wenn man aber einmal das
Fundierungsaxiom durch ein geeignetes Antifundierungsaxiom ersetzt, kann man
zeigen, daß es genau eine Menge gibt, die sich selbst als einziges Element enthält: die
Einermenge-ihrer-selbst: Q = {Q} = {{Q}} = = {{{•■•}}}•