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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Koch, Anton Friedrich: Die Macht der Antinomie und die normativen Grundlagen der Polis
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0113
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23. Oktober 2009

129

nicht auf sie berufen, da der Gesprächspartner ihre Autorität nicht anerkennt. So darf
er hier nur eine Korrelationalität geltend machen, kraft deren Pathologien in der
Religion durch Vernunft und Pathologien der Vernunft durch den Glauben aufzulö-
sen seien (DS 56).
Aber des Glaubens kann man in dieser Sache entraten. Die Metaphysik ist, wie
die Antinomiethese gegen Habermas erkennen läßt, auf Dauer gestellt, als schlechte
Metaphysik so sehr wie dann erst recht als Desiderat einer kritischen Metaphysik;
und ohne die Ressourcen der letzteren lassen sich die normativen Grundlagen des
demokratischen Verfassungsstaates nicht rechtfertigen. Die Antinomie des Denkens,
der logische Tod, ist insofern Lebensversicherung und Jungbrunnen der prima phi-
losophia. Neben der Stimme vernunftdurchwirkten Glaubens und der Stimme pro-
faner nichtmetaphysischer Rationalität muß demnach die vernünftige Stimme der
Philosophie weiterhin zu Gehör gebracht werden.
Nachtrag
Mit dem Tenor des Vortrags war ein Ton angeschlagen, der in der Diskussion das eine
oder andere habermaskritische Echo fand. Der Gerechtigkeit halber sei daher ange-
merkt, daß eine positive Konzeption der normativen Grundlagen der Polis, wie sie
in den Grenzen der Antinomie- und der Subjektivitätsthese zu entwickeln wäre,
ohne Anleihen bei Habermas’Theorem von der Unhintergehbarkeit kommunikati-
ven Handelns schwerlich auskäme. Dazu im nachhinein noch einige thetische und
programmatische Bemerkungen.
Objektivität und Intersubjektivität sind begrifflich miteinander verflochten
und gleichursprünglich. Ohne eine allgemeine Vorstellung von Objektivität könnte
ich nicht den besonderen Begriff von einem Objektiven bilden, das mir als meines-
gleichen, als anderes Subjekt, entgegentritt. Umgekehrt könnte ich - darin gilt es
Habermas zu folgen - ohne einen Begriff von Alterität (anderer Subjektivität) und
Intersubjektivität keinen angemessenen Begriff der Objektivität ausbilden; denn ein
Objekt ist zu denken als ein Vereinigungspunkt für verschiedene mögliche Perspek-
tiven auf es, und zwar Perspektiven, die - in Übereinstimmung mit der Subjekti-
vitätsthese - nicht restlos eine in die andere (und alle in meine eigene) überführt
werden können. Überführbare Perspektiven wären potentiell meine eigenen und
würden nur für einen schwachen Sinn von Alterität aufkommen, der seinerseits nur
einen schwachen Sinn von Objektivität legitimieren könnte. Ich müßte mich zwar
in jedem Fall, um mich indexikalisch auf die Details meines Wahrnehmungsfeldes
beziehen zu können, einreihen unter sie als eines von ihnen, behielte aber zugleich
- als das einzige Subjekt unter ihnen - eine singuläre Stellung, die weder meine Sub-
jektivität noch die Objektivität jener Details meines Wahrnehmungsfeldes (darunter
die meines eigenen Leibes) angemessen konturieren könnte. Wie schon Hegel im
Selbstbewußtseinskapitel der Phänomenologie des Geistes zu zeigen unternahm, bleibt
ein Selbstbewußtsein, das sich nur auf von ihm unterschiedene Details seines Wahr-
nehmungsfeldes, und sei es auch als auf Details einer äußeren räumlichen Umge-
bung, bezieht, so lange sowohl solipsistisch als auch unvollkommen qua Bewußtsein
 
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