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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Antrittsreden
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Schaefer, Hans: Antrittsrede vom 10. Februar 1945
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0127
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Hans Schaefer | 143

mich mit der Geschichte Roms intensiv beschäftigen müssen und gestehe gern, daß
der Genius dieses Volkes, die ihm eigentümliche Verbindung von juridisch-prägen-
der Form und praktisch-politischem Verhalten, mich ungemein gefesselt hat. Ich
habe mich seitdem insbesondere viel mit der Geschichte der römischen Revolution
befaßt, jenem Jahrhundert, in dem Rom aus dem Adelsstaat der Republik zur Mon-
archie sich wandelt und in dem das Imperium Romanum aus einem Konglomerat
von zufällig aneinandergereihten Teilen zu einem wirklichen Ganzen, zu einem
Reich mit einer eigenen Reichsidee sich umbildet. Mein Forschungsgegenstand
innerhalb dieser Epoche sind die sozialen Veränderungen in der Struktur der römi-
schen Gesellschaft geworden, die sehr interessante und bisher wenig beachtete Tatsa-
che, daß sich zwischen die alten Stände von Adel und Volk ein neuer schiebt, das
Bürgertum, dessen Darstellung ich in einer Monographie vorbereite.
Ich darf nicht verschweigen, daß die Jahre meiner Lehrtätigkeit meine Kräfte
sehr stark absorbiert haben und manchen literarischen Plan in den Hintergrund
haben treten lassen. Dennoch habe ich es als meine Pflicht angesehen, so zu handeln,
um die Studenten mit gewissenhafter Strenge zu wirklicher wissenschaftlicher
Arbeit, auch wenn sie nur an einem kleinen Punkt gelingen konnte, zu erziehen. In
einer Zeit, in der das Studium immer mehr verflacht, in der die Kenntnisse der Stu-
denten einen beschämenden Tiefstand erreicht haben und in der die Anforderungen
oft weit über Gebühr gesunken sind, schien es mir notwendig, dafür zu sorgen,
soweit es in meinen Kräften steht, daß das Streben nach Erkenntnis, dasß das wirk-
liche Fragen und Sich-Mühen um Probleme der eigentliche Sinn der deutschen
Universität sei und ihr nicht verloren gehen dürfe.
Dies sind in der gebotenen Kürze einige der Voraussetzungen und Ziele mei-
nes Lebensganges. Indem ich in ihren Kreis eintrete, tue ich es in der doppelten
Überzeugung, daß die antike Welt, deren Erforschung meine Arbeit gilt, nicht eine
beliebige und zufällige Kultur der Mittelmeerwelt ist, sondern in ihren Wirkungen
ein unverlierbarer historischer Bestandteil im geistigen Besitz der Nation, und daß
die selbstlose, nur der Sache zugewandte Forschung, die ganz schlicht der Wahrheit
und Erkenntnis mit ihren Mitteln dienen will, einem tief im Wesen des deutschen
Volkes verwurzelten Wesenszug entspricht, dem zu diesen unser Glück und unsere
Ehre ist.
 
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