Hans-Georg Kräusslich
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Förderung meiner Interessen und Ausrichtung auf Fragen der modernen Bio-
logie erfuhr ich zuerst und in besonderem Maße durch meinen Vater. Selbst von
einem Bauernhof im Coburger Land stammend hatte er seine Laufbahn mit Popu-
lationsgenetik in der Nutztierzucht begonnen. So habe ich in meiner Kindheit und
Jugend gefühlt jeden Kuhstall in Bayern besucht, es jedoch beim Melken und land-
wirtschaftlichen Aufgaben nie zu großem Können gebracht. In den 70er Jahren hat
er dann als Leiter des Institutes für Tierzucht der Münchner Universität als einer der
ersten in Deutschland den Weg zur molekularen Tierzucht beschritten. Dementspre-
chend waren nicht nur die Regeln der Mendelschen Genetik, sondern damals neue
Begriffe wie Embryonentransfer, Embryonenteilung, transgene Nutztiere und das
Klonen von Nutztieren Teil des normalen Gesprächs beim Abendessen und in den
Skiferien. Ich bin überzeugt, dass diese selbstverständliche und mit keinerlei Lei-
stungsanforderung versehene Annäherung an zentrale Fragen der Biologie für mei-
nen beruflichen Weg von entscheidender Bedeutung war und mir vieles erleichtert
hat. Gleichzeitig waren auch die Probleme und die zahlreichen und heftigen Kon-
flikte der Münchner Tiermedizinischen Fakultät dieser Zeit selbstverständlicher
Bestandteil meiner Jugend. Erst sehr viel später habe ich verstanden, wie sehr dieses
unmittelbar vorhandene Wissen um die Kompliziertheit universitärer Vorgänge mei-
nen eigenen Weg an der Universität erleichtert hat. Ohne Frage ein unschätzbarer
und durch nichts verdienter Vorteil! Vieles wird einfacher, wenn einem das Denken
und Handeln von Fakultätsräten und Berufungskommissionen bereits grundsätzlich
vertraut ist, ohne es je selbst erlebt zu haben. Schwierig war allenfalls die damalige
Bekanntheit des Namens, die mich in den Anfangsjahren oft fragen ließ, was mein
Eigenanteil und was dem Namen meiner Familie geschuldet war. Besonders evident
wurde dies als ich ein Forschungsstipendium der DFG für meine Postdoc-Zeit in
den USA beantragt hatte und mich der damalige Referent der DFG persönlich
anrief, um mich über die Bewilligung zu informieren, mir dabei aber vor allem von
der exzellenten Zusammenarbeit mit meinem Vater erzählte. Endgültig gelegt hat
sich diese Unsicherheit als mir mein Vater eines späteren Tages erzählte, dass er gefragt
wurde, ob er mit dem Virologen Kräusslich verwandt sei - mit umgekehrtem Vor-
zeichen hatte ich diese Erfahrung zuvor oft gemacht.
Gelegenheit spielt in jeder Laufbahn eine entscheidende Rolle. Bei mir war es
die Erkenntnis in den ersten Jahren des Medizinstudiums an der LMU in München,
dass mein eigentliches Interesse dem detaillierten molekularen Verständnis der
Grundlagen von Krankheiten galt. Ende der 70er Jahre steckten viele Bereiche der
Molekularbiologie noch in den Kinderschuhen und es erforderte keine herausra-
gende Weitsicht zu erkennen, dass Krankheitserreger mit möglichst kleinem Genom,
also insbesondere Viren, geeignete Forschungsobjekte der Molekularbiologie sein
müssten. Bereits in der ersten Woche meines Studiums, im Herbst 1977, zerschnitt
ich mir bei einem Praktikum zur Gefrierpunktserniedrigung mehrere Sehnen und
Nerven der linken Hand - der Rand des Becherglases zerbrach beim Eindrücken ms
Eis. Wegen der folgenden Operationen und Krankengymnastik war ein Erfüllen des
vorgesehenen Stundenplans gar nicht möglich und so lernte ich frühzeitig, dass man
die geforderten Studienleistungen auch ohne Besuch jeder vorgesehenen Lehrver-
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Förderung meiner Interessen und Ausrichtung auf Fragen der modernen Bio-
logie erfuhr ich zuerst und in besonderem Maße durch meinen Vater. Selbst von
einem Bauernhof im Coburger Land stammend hatte er seine Laufbahn mit Popu-
lationsgenetik in der Nutztierzucht begonnen. So habe ich in meiner Kindheit und
Jugend gefühlt jeden Kuhstall in Bayern besucht, es jedoch beim Melken und land-
wirtschaftlichen Aufgaben nie zu großem Können gebracht. In den 70er Jahren hat
er dann als Leiter des Institutes für Tierzucht der Münchner Universität als einer der
ersten in Deutschland den Weg zur molekularen Tierzucht beschritten. Dementspre-
chend waren nicht nur die Regeln der Mendelschen Genetik, sondern damals neue
Begriffe wie Embryonentransfer, Embryonenteilung, transgene Nutztiere und das
Klonen von Nutztieren Teil des normalen Gesprächs beim Abendessen und in den
Skiferien. Ich bin überzeugt, dass diese selbstverständliche und mit keinerlei Lei-
stungsanforderung versehene Annäherung an zentrale Fragen der Biologie für mei-
nen beruflichen Weg von entscheidender Bedeutung war und mir vieles erleichtert
hat. Gleichzeitig waren auch die Probleme und die zahlreichen und heftigen Kon-
flikte der Münchner Tiermedizinischen Fakultät dieser Zeit selbstverständlicher
Bestandteil meiner Jugend. Erst sehr viel später habe ich verstanden, wie sehr dieses
unmittelbar vorhandene Wissen um die Kompliziertheit universitärer Vorgänge mei-
nen eigenen Weg an der Universität erleichtert hat. Ohne Frage ein unschätzbarer
und durch nichts verdienter Vorteil! Vieles wird einfacher, wenn einem das Denken
und Handeln von Fakultätsräten und Berufungskommissionen bereits grundsätzlich
vertraut ist, ohne es je selbst erlebt zu haben. Schwierig war allenfalls die damalige
Bekanntheit des Namens, die mich in den Anfangsjahren oft fragen ließ, was mein
Eigenanteil und was dem Namen meiner Familie geschuldet war. Besonders evident
wurde dies als ich ein Forschungsstipendium der DFG für meine Postdoc-Zeit in
den USA beantragt hatte und mich der damalige Referent der DFG persönlich
anrief, um mich über die Bewilligung zu informieren, mir dabei aber vor allem von
der exzellenten Zusammenarbeit mit meinem Vater erzählte. Endgültig gelegt hat
sich diese Unsicherheit als mir mein Vater eines späteren Tages erzählte, dass er gefragt
wurde, ob er mit dem Virologen Kräusslich verwandt sei - mit umgekehrtem Vor-
zeichen hatte ich diese Erfahrung zuvor oft gemacht.
Gelegenheit spielt in jeder Laufbahn eine entscheidende Rolle. Bei mir war es
die Erkenntnis in den ersten Jahren des Medizinstudiums an der LMU in München,
dass mein eigentliches Interesse dem detaillierten molekularen Verständnis der
Grundlagen von Krankheiten galt. Ende der 70er Jahre steckten viele Bereiche der
Molekularbiologie noch in den Kinderschuhen und es erforderte keine herausra-
gende Weitsicht zu erkennen, dass Krankheitserreger mit möglichst kleinem Genom,
also insbesondere Viren, geeignete Forschungsobjekte der Molekularbiologie sein
müssten. Bereits in der ersten Woche meines Studiums, im Herbst 1977, zerschnitt
ich mir bei einem Praktikum zur Gefrierpunktserniedrigung mehrere Sehnen und
Nerven der linken Hand - der Rand des Becherglases zerbrach beim Eindrücken ms
Eis. Wegen der folgenden Operationen und Krankengymnastik war ein Erfüllen des
vorgesehenen Stundenplans gar nicht möglich und so lernte ich frühzeitig, dass man
die geforderten Studienleistungen auch ohne Besuch jeder vorgesehenen Lehrver-