162 | ANTRITTSREDEN
Gebiet weltweit führend waren, häufig eigenen Theorien oder Forschungsmethoden
ihren Namen gegeben hatten, und oft weit über ihr Fachgebiet hinaus blickten.
Neben all dieser Dynamik in der Forschung kam man hier der Humboldtschen Ver-
pflichtung zur Lehre stärker nach, als ich das aus Deutschland gewohnt war: ich habe
selten in meinem Leben so hart für eine Vorlesung gearbeitet, wie für die Vorlesung
über Organisationstheorie, die ich in Stanford gehalten habe. In Stanford ist auch
meine einzige Arbeit entstanden, die je ms Russische übersetzt wurde, eine Arbeit
über die Organisation der Treuhandanstalt im Rahmen eines vergleichenden Pro-
jektes der Weltbank.
Neben der Organisationstheorie begann ich mich in jenen Jahren mit dem,
was heute als „Corporate Governance“ modisch geworden ist, und mit der Frage der
Kapitalstruktur in der Theorie der Unternehmensfinanzierung zu beschäftigen.
Diese und andere Aktivitäten erhielten einen Dämpfer, als ich 1995 auf eine Profes-
sur an der Universität Lausanne berufen wurde. Diese Professur verlangte es zum
Beispiel, dass ich Makroökonomik auf Französisch unterrichtete — ein Gebiet, das ich
kaum kannte, in einer Sprache, die mir kaum geläufig war. Für diese Vorlesung habe
ich vermutlich noch härter gearbeitet als für die Organisationstheorie in Stanford.
Doch hat solch ein Härtetest auch Vorteile — seit jener Zeit kann ich Französisch,
und in jener Vorlesung habe ich mich auf das Wesentliche beschränkt, was die Stu-
denten durchaus schätzten.
Neben den Lehrjahren als Professor begann in jener Zeit in Lausanne auch der
Aufbau des Forschungszentrums für Finanzökonomik, den mein bewunderter Kol-
lege Jean-Pierre Danthine mit großer Energie vorantrieb und in den ich immer
mehr eingebunden wurde. Hier lernte ich, wie die Wirtschaftswissenschaften, und
vor allem „gewinnträchtige“ Bereiche wie die Finanzökonomik, durch intelligente
Verabredungen mit der Privatwirtschaft strukturell und in großem Ausmaß gefördert
werden können. Ende der 90er Jahre entstand aus dieser Förderung das Center for
FAME (Financial Asset Managment and Engeneering), das die Schweizer Banken
mit einer 20 Millionen Franken starken Stiftung ausstatteten, damit wir unabhängig
und langfristig wirtschaften konnten. Solch eine Großzügigkeit und Weitsicht habe
ich in Deutschland seit meiner Rückkehr weder auf privatwirtschaftlicher und schon
gar nicht auf staatlicher Seite gefunden.
Obwohl wir Zwillinge erwarteten, war meine Frau sofort dabei, als ich für das
Jahr 1998/99 eine Einladung an das Center for Advanced Studies in the Behavioral
Sciences in Stanford bekam. Manches in diesem Jahr versinkt hinter einem Schleier
der Müdigkeit, aber bei uns beiden ist die Erinnerung an die wunderbare Atmos-
phäre und an die Gastfreundschaft der Mitarbeiter und Fellows des Centers unver-
gessen geblieben. Wissenschaftlich hatte ich „on the hill“, wie das Center genannt
wird, jegliche Freiheit, die ich vor allem dazu nutzte, eine Theorie des Konkurses zu
entwickeln, eine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftswissenschaften und
Jura, die mich bis heute beschäftigt.
Zurück in Lausanne führte ich diese Arbeiten weiter und wandte mich über-
dies der politischen Ökonomie im engeren Sinne zu. In Arbeiten mit Enrico Perotti
untersuchte ich zunächst die Frage nach der Komplementarität von Finanzstruktu-
Gebiet weltweit führend waren, häufig eigenen Theorien oder Forschungsmethoden
ihren Namen gegeben hatten, und oft weit über ihr Fachgebiet hinaus blickten.
Neben all dieser Dynamik in der Forschung kam man hier der Humboldtschen Ver-
pflichtung zur Lehre stärker nach, als ich das aus Deutschland gewohnt war: ich habe
selten in meinem Leben so hart für eine Vorlesung gearbeitet, wie für die Vorlesung
über Organisationstheorie, die ich in Stanford gehalten habe. In Stanford ist auch
meine einzige Arbeit entstanden, die je ms Russische übersetzt wurde, eine Arbeit
über die Organisation der Treuhandanstalt im Rahmen eines vergleichenden Pro-
jektes der Weltbank.
Neben der Organisationstheorie begann ich mich in jenen Jahren mit dem,
was heute als „Corporate Governance“ modisch geworden ist, und mit der Frage der
Kapitalstruktur in der Theorie der Unternehmensfinanzierung zu beschäftigen.
Diese und andere Aktivitäten erhielten einen Dämpfer, als ich 1995 auf eine Profes-
sur an der Universität Lausanne berufen wurde. Diese Professur verlangte es zum
Beispiel, dass ich Makroökonomik auf Französisch unterrichtete — ein Gebiet, das ich
kaum kannte, in einer Sprache, die mir kaum geläufig war. Für diese Vorlesung habe
ich vermutlich noch härter gearbeitet als für die Organisationstheorie in Stanford.
Doch hat solch ein Härtetest auch Vorteile — seit jener Zeit kann ich Französisch,
und in jener Vorlesung habe ich mich auf das Wesentliche beschränkt, was die Stu-
denten durchaus schätzten.
Neben den Lehrjahren als Professor begann in jener Zeit in Lausanne auch der
Aufbau des Forschungszentrums für Finanzökonomik, den mein bewunderter Kol-
lege Jean-Pierre Danthine mit großer Energie vorantrieb und in den ich immer
mehr eingebunden wurde. Hier lernte ich, wie die Wirtschaftswissenschaften, und
vor allem „gewinnträchtige“ Bereiche wie die Finanzökonomik, durch intelligente
Verabredungen mit der Privatwirtschaft strukturell und in großem Ausmaß gefördert
werden können. Ende der 90er Jahre entstand aus dieser Förderung das Center for
FAME (Financial Asset Managment and Engeneering), das die Schweizer Banken
mit einer 20 Millionen Franken starken Stiftung ausstatteten, damit wir unabhängig
und langfristig wirtschaften konnten. Solch eine Großzügigkeit und Weitsicht habe
ich in Deutschland seit meiner Rückkehr weder auf privatwirtschaftlicher und schon
gar nicht auf staatlicher Seite gefunden.
Obwohl wir Zwillinge erwarteten, war meine Frau sofort dabei, als ich für das
Jahr 1998/99 eine Einladung an das Center for Advanced Studies in the Behavioral
Sciences in Stanford bekam. Manches in diesem Jahr versinkt hinter einem Schleier
der Müdigkeit, aber bei uns beiden ist die Erinnerung an die wunderbare Atmos-
phäre und an die Gastfreundschaft der Mitarbeiter und Fellows des Centers unver-
gessen geblieben. Wissenschaftlich hatte ich „on the hill“, wie das Center genannt
wird, jegliche Freiheit, die ich vor allem dazu nutzte, eine Theorie des Konkurses zu
entwickeln, eine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftswissenschaften und
Jura, die mich bis heute beschäftigt.
Zurück in Lausanne führte ich diese Arbeiten weiter und wandte mich über-
dies der politischen Ökonomie im engeren Sinne zu. In Arbeiten mit Enrico Perotti
untersuchte ich zunächst die Frage nach der Komplementarität von Finanzstruktu-