170 | ANTRITTSREDEN
Die insgesamt neun Jahre im Vereinigten Königreich haben sicherlich auch
meine Persönlichkeitsstruktur stark geprägt. Das erfuhr ich schon recht früh in Form
eines Kulturschocks: dann nämlich, als mein Vater 1971 für zwei Jahre wieder in die
Bonner Zentrale versetzt wurde und die beiden Söhne in ein deutsches Gymnasium
nach Bad Godesberg kamen. Der Kontrast zur schottischen Privatschule war groß
aber wir adaptierten ohne größere Blessuren... Die abwechslungsreiche diplomati-
sche Familienweltreise ging aber dann noch weiter, nämlich 1973 nach Montreal in
Kanada — wo ich wiederum in einer englischsprachigen Schule (mit französischer
Umgebung) meinen universitätsvorbereitenden Abschluss machte.
Es folgte in Montreal ein Studium der Chemie, wobei mir sehr schnell klar
wurde, dass ich eher den mathematisch-quantitativen als den synthetischen Aspekten
dieses Faches gewachsen sein würde. Ein Sommerpraktikum in der Forschung unter
Anleitung eines begeisterungsfähigen kanadischen Gaskinetikers und unter Einsatz
seines alten, von mir wieder flott gemachten Flugzeitmassenspektrometers tat sein
Weiteres und so wurde ich experimenteller Physikochemiker. In Montreal riet man
mir, nach dem Bachelorabschluss am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
weiter zu machen — wegen der forschungsstarken physikalischen und theoretischen
Chemie. Die Aufnahme klappte dann auch auf Anhieb. So fand ich mich im Herbst
1977 als Chemie graduate Student in Cambridge, Massachusetts wieder. Dort trat
ich der Arbeitsgruppe von Ralph Staley als Doktorand bei und arbeitete zunächst
ein wenig an der photoakustischen Spektroskopie von Festkörpern sowie an der
chemischen Funktionalisierung von mikrostrukturierten Oberflächen. Beides war
mir aber zu wenig überschaubar. So besann ich mich wieder meines gaskinetischen
Sommerpraktikums und verständigte mich mit Herrn Staley auf ein Disserta-
tionsthema im Bereich der lonenchemie (und -Kinetik) von atomaren Übergangs-
metallkationen. Die Arbeiten wurden in einer sogenannten Penning-Ionenfalle
durchgeführt — einer massenspektrometrischen Apparatur, die es erlaubt die reakti-
ven Metallionen durch elektrische und magnetische Felder unter Vakuum „gefangen
zu halten“, um dann mittels kontrollierter Zugabe kleinster Mengen neutraler Gase
die entsprechenden lonen-Molekül Reaktionen zu untersuchen. Wir haben damals
u. A. festgestellt, dass einfach geladene atomare Ionen wie Fe+, bei Raumtemperatur
aktive Oxidationskatalysatoren sein können.
Während dieser intensiven Beschäftigung mit den atomaren Kationen am MIT
hörte ich eines Tages einen sehr inspirierenden Seminarvortrag von Ernst Schu-
macher, einem Schweizer Gast, damals Professor für Anorganische, Analytische und
Physikalische Chemie in Bern. Im Vortrag ging es um die Erzeugung von isolierten
Metallclustern im Molekularstrahl. Das löste bei mir natürlich die Frage aus, wie
denn im Unterschied zu den Atomionen, geladene Atomaggregate des gleichen Ele-
ments reagieren würden — als Funktion der Anzahl Atome im Cluster.
Damals gab es nur zwei Gruppen in der Welt mit der notwendigen apparati-
ven Ausstattung, um eine solche Frage experimentell überhaupt anzugehen. Von
Schumacher begeistert, entschloss ich mich deshalb, sofort nach meiner Promotion
1981 nach Bern als Postdoktorand zu wechseln. Zum Glück (denn die andere
Gruppe befand sich im deutlich weniger attraktiven Houston) hat mich Schumacher
Die insgesamt neun Jahre im Vereinigten Königreich haben sicherlich auch
meine Persönlichkeitsstruktur stark geprägt. Das erfuhr ich schon recht früh in Form
eines Kulturschocks: dann nämlich, als mein Vater 1971 für zwei Jahre wieder in die
Bonner Zentrale versetzt wurde und die beiden Söhne in ein deutsches Gymnasium
nach Bad Godesberg kamen. Der Kontrast zur schottischen Privatschule war groß
aber wir adaptierten ohne größere Blessuren... Die abwechslungsreiche diplomati-
sche Familienweltreise ging aber dann noch weiter, nämlich 1973 nach Montreal in
Kanada — wo ich wiederum in einer englischsprachigen Schule (mit französischer
Umgebung) meinen universitätsvorbereitenden Abschluss machte.
Es folgte in Montreal ein Studium der Chemie, wobei mir sehr schnell klar
wurde, dass ich eher den mathematisch-quantitativen als den synthetischen Aspekten
dieses Faches gewachsen sein würde. Ein Sommerpraktikum in der Forschung unter
Anleitung eines begeisterungsfähigen kanadischen Gaskinetikers und unter Einsatz
seines alten, von mir wieder flott gemachten Flugzeitmassenspektrometers tat sein
Weiteres und so wurde ich experimenteller Physikochemiker. In Montreal riet man
mir, nach dem Bachelorabschluss am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
weiter zu machen — wegen der forschungsstarken physikalischen und theoretischen
Chemie. Die Aufnahme klappte dann auch auf Anhieb. So fand ich mich im Herbst
1977 als Chemie graduate Student in Cambridge, Massachusetts wieder. Dort trat
ich der Arbeitsgruppe von Ralph Staley als Doktorand bei und arbeitete zunächst
ein wenig an der photoakustischen Spektroskopie von Festkörpern sowie an der
chemischen Funktionalisierung von mikrostrukturierten Oberflächen. Beides war
mir aber zu wenig überschaubar. So besann ich mich wieder meines gaskinetischen
Sommerpraktikums und verständigte mich mit Herrn Staley auf ein Disserta-
tionsthema im Bereich der lonenchemie (und -Kinetik) von atomaren Übergangs-
metallkationen. Die Arbeiten wurden in einer sogenannten Penning-Ionenfalle
durchgeführt — einer massenspektrometrischen Apparatur, die es erlaubt die reakti-
ven Metallionen durch elektrische und magnetische Felder unter Vakuum „gefangen
zu halten“, um dann mittels kontrollierter Zugabe kleinster Mengen neutraler Gase
die entsprechenden lonen-Molekül Reaktionen zu untersuchen. Wir haben damals
u. A. festgestellt, dass einfach geladene atomare Ionen wie Fe+, bei Raumtemperatur
aktive Oxidationskatalysatoren sein können.
Während dieser intensiven Beschäftigung mit den atomaren Kationen am MIT
hörte ich eines Tages einen sehr inspirierenden Seminarvortrag von Ernst Schu-
macher, einem Schweizer Gast, damals Professor für Anorganische, Analytische und
Physikalische Chemie in Bern. Im Vortrag ging es um die Erzeugung von isolierten
Metallclustern im Molekularstrahl. Das löste bei mir natürlich die Frage aus, wie
denn im Unterschied zu den Atomionen, geladene Atomaggregate des gleichen Ele-
ments reagieren würden — als Funktion der Anzahl Atome im Cluster.
Damals gab es nur zwei Gruppen in der Welt mit der notwendigen apparati-
ven Ausstattung, um eine solche Frage experimentell überhaupt anzugehen. Von
Schumacher begeistert, entschloss ich mich deshalb, sofort nach meiner Promotion
1981 nach Bern als Postdoktorand zu wechseln. Zum Glück (denn die andere
Gruppe befand sich im deutlich weniger attraktiven Houston) hat mich Schumacher