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Erde war das Nördlinger Ries, eine kraterförmige Struktur von etwa 25 km Durch-
messer mit mannigfaltigen Schmelzprodukten und festen Trümmern der dabei
betroffenen Gesteine. Diesem Beispiel wandte sich W. v. E. mit mehreren seiner Mit-
arbeiter und Schüler ab 1961 zu. Die Beobachtungen an den Gesteinen des Ries
führten zu neuen Erkenntnissen zur Mineralogie bei höchsten Drucken, wie sie
bei Metoriteinschlägen auftreten und zur Entwicklung experimenteller Methoden,
mit denen deren Wirkungen simuliert wurden. Eine Zusammenfassung der Ergeb-
nisse in deutscher Sprache erschien 1969 in den Geologica Bavarica; Coautoren
waren D. Stöffler und W. Schneider.
Damit war das Tübinger Institut qualifiziert, als erstes in Deutschland Proben-
material von der Apollo 11-Mission zum Mond (1969) zur Untersuchung zu be-
kommen. In dem ersten Band der Proceedings of the Apollo 11 Eunar Schience
Conference von 1970 stellte W. v. E. zusammen mit J. Arndt, W. E Müller und
D. Stöffler die Wirkungen der Schockmetamorphose an den Gesteinen und Mineralen
dieser Proben erstmals dar; die Befunde bewiesen eindeutig die Bildung der Mond-
krater aller Größen und der lockeren Regolithdecke der Mondoberfläche durch
Impaktereignisse; es fanden sich hier die Hauptkriterien solcher Einwirkungen, wie
sie schon an Gesteinen des Ries beobachtet worden waren, mutatis mutandis wie-
der. Die ursprünglich magmatische Bildung der davon betroffenen, basaltartigen
Gesteine aus der frühesten Geschichte des Mondes wurde zugleich bestätigt. 1971
sandte die Raumfahrtbehörde NASA die Astronauten-Mannschaft der Mission
Apollo 14 eigens zu einer Spezialausbildung nach Tübingen und in das Ries. Das
Thema des Riesereignisses und seiner Produkte beschäftigte W. v. E. noch weiter;
seine letzte mineralogische Veröffentlichung mit den Coautoren C. B erth old, T. Wen-
zel und T. Dehner (2005) behandelt die Entstehung der böhmischen Moldavite. Der
nach den ersten Untersuchungen in den sechziger Jahren noch zweifelhafte Zusam-
menhang dieser Gläser mit dem Riesimpakt wurde nun mit weiter entwickelten
Analysenmethoden und unter Einbeziehung von Erfahrungen der Plasmaphysik sehr
wahrscheinlich gemacht..
Zu diesem bis hierher referierten Lebenswerk, das die vielfältigsten Aspekte der
mineralischen Natur zum Gegenstand hatte, trat in den späteren Jahrzehnten ein
zweites, durchaus anderes, das mit den Worten Wissenschaftsgeschichte, Wissen-
schaftstheorie und Philosophie nur andeutungsweise zu charakterisieren ist. Es
gipfelte in Werken, die den Funden und Gedanken Goethes zur Naturwissenschaft
nachgehen, sie ordnen, prüfen, interpretieren und zu einem Gesamtbild seiner Welt-
ansichten zusammenfügen.
Noch während seiner Tätigkeit in der Industrie begann W v. E. die Herausga-
be wichtiger Werke des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, so der erd-
geschichtlichen Abhandlung „Protogaea“ mit dem lateinischen Originaltext und
deutscher Übersetzung (1949), sowie, ebenfalls zweisprachig und mit Kommentar,
von Leibniz’Jugendwerken (1951). Zusammen mit H. H. Holz übertrug er 1961 die
„Nouveaux essais sur l’entendement humain“ ins Deutsche.
Mit einer Reihe bedeutsamer wissenschaftstheoretischer und methodologi-
scher Aufsätze warW v. E. schon frühzeitig mit in den Diskurs über die allgemeine-
Erde war das Nördlinger Ries, eine kraterförmige Struktur von etwa 25 km Durch-
messer mit mannigfaltigen Schmelzprodukten und festen Trümmern der dabei
betroffenen Gesteine. Diesem Beispiel wandte sich W. v. E. mit mehreren seiner Mit-
arbeiter und Schüler ab 1961 zu. Die Beobachtungen an den Gesteinen des Ries
führten zu neuen Erkenntnissen zur Mineralogie bei höchsten Drucken, wie sie
bei Metoriteinschlägen auftreten und zur Entwicklung experimenteller Methoden,
mit denen deren Wirkungen simuliert wurden. Eine Zusammenfassung der Ergeb-
nisse in deutscher Sprache erschien 1969 in den Geologica Bavarica; Coautoren
waren D. Stöffler und W. Schneider.
Damit war das Tübinger Institut qualifiziert, als erstes in Deutschland Proben-
material von der Apollo 11-Mission zum Mond (1969) zur Untersuchung zu be-
kommen. In dem ersten Band der Proceedings of the Apollo 11 Eunar Schience
Conference von 1970 stellte W. v. E. zusammen mit J. Arndt, W. E Müller und
D. Stöffler die Wirkungen der Schockmetamorphose an den Gesteinen und Mineralen
dieser Proben erstmals dar; die Befunde bewiesen eindeutig die Bildung der Mond-
krater aller Größen und der lockeren Regolithdecke der Mondoberfläche durch
Impaktereignisse; es fanden sich hier die Hauptkriterien solcher Einwirkungen, wie
sie schon an Gesteinen des Ries beobachtet worden waren, mutatis mutandis wie-
der. Die ursprünglich magmatische Bildung der davon betroffenen, basaltartigen
Gesteine aus der frühesten Geschichte des Mondes wurde zugleich bestätigt. 1971
sandte die Raumfahrtbehörde NASA die Astronauten-Mannschaft der Mission
Apollo 14 eigens zu einer Spezialausbildung nach Tübingen und in das Ries. Das
Thema des Riesereignisses und seiner Produkte beschäftigte W. v. E. noch weiter;
seine letzte mineralogische Veröffentlichung mit den Coautoren C. B erth old, T. Wen-
zel und T. Dehner (2005) behandelt die Entstehung der böhmischen Moldavite. Der
nach den ersten Untersuchungen in den sechziger Jahren noch zweifelhafte Zusam-
menhang dieser Gläser mit dem Riesimpakt wurde nun mit weiter entwickelten
Analysenmethoden und unter Einbeziehung von Erfahrungen der Plasmaphysik sehr
wahrscheinlich gemacht..
Zu diesem bis hierher referierten Lebenswerk, das die vielfältigsten Aspekte der
mineralischen Natur zum Gegenstand hatte, trat in den späteren Jahrzehnten ein
zweites, durchaus anderes, das mit den Worten Wissenschaftsgeschichte, Wissen-
schaftstheorie und Philosophie nur andeutungsweise zu charakterisieren ist. Es
gipfelte in Werken, die den Funden und Gedanken Goethes zur Naturwissenschaft
nachgehen, sie ordnen, prüfen, interpretieren und zu einem Gesamtbild seiner Welt-
ansichten zusammenfügen.
Noch während seiner Tätigkeit in der Industrie begann W v. E. die Herausga-
be wichtiger Werke des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, so der erd-
geschichtlichen Abhandlung „Protogaea“ mit dem lateinischen Originaltext und
deutscher Übersetzung (1949), sowie, ebenfalls zweisprachig und mit Kommentar,
von Leibniz’Jugendwerken (1951). Zusammen mit H. H. Holz übertrug er 1961 die
„Nouveaux essais sur l’entendement humain“ ins Deutsche.
Mit einer Reihe bedeutsamer wissenschaftstheoretischer und methodologi-
scher Aufsätze warW v. E. schon frühzeitig mit in den Diskurs über die allgemeine-