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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Theißen, Gerd: Martin Hengel (14.12.1926 - 2.7.2009)
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Martin Hengel

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matuniversität zurück und leitete dort bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1992 das
„Institut für antikes Judentum und hellenistische Religionsgeschichte“. Dass ihn
auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit Judentum und Christentum, Politik und
Krieg, Wirtschaft und Handel interessierte, erklärt sich aus diesem Lebenslauf.
Seine ersten beiden Arbeiten beziehen sich auf das antike Judentum: Die
Arbeit über „Die Zeloten“ (1961) zeigt den Widerstand des Judentums gegen die
römisch-hellenistische Welt, der nach dem jüdischen Krieg 70 n.Chr. ebenso ein
Trümmerfeld hinterließ wie der zweite Weltkrieg in Deutschland. Die Arbeit
„Judentum und Hellenismus“ (1969) wies im Gegenzug nach, dass das ganze Juden-
tum seit der Zeit Alexanders unter hellenistischem Einfluss stand und dass auch der
Widerstand gegen diesen Einfluss von ihm geprägt ist. Dieses opus magnum stellt
umfassend die politische, ökonomische, soziale und religiöse Geschichte des helle-
nistischen Judentums in Palästina vor der Zeitenwende dar. Damit entfiel eine Prä-
misse der damaligen religionsgeschichtlichen Sicht der Entstehung des Urchristen-
tums: die schroffe Unterscheidung zwischen palästinischem und hellenistischem
Milieu. Hellenistisch geprägte Motive im Urchristentum konnten bis nach Palästi-
na zurückgeführt werden. Sie mussten nicht erst sekundär durch synkretistische
Überflutung entstanden sein. Wenn in ihnen nichtjüdische Elemente enthalten
waren, so waren sie meist vorher im hellenistischen Judentum aus der Umwelt
übernommen worden. Das Urchristentum ging nach Hengeis Sicht also ganz aus
dem Judentum hervor, freilich aus einem Judentum, das in engem Austausch mit
seiner nichtjüdischen Umwelt stand.
Nun musste auch M. Hengel erklären, warum man in eine andere Welt eintritt,
wenn man von den synoptischen Evangelien zu Paulus und zum Johannesevangeli-
um kommt. Der Jesus der synoptischen Evangelien erinnert an die alttestamentlichen
Propheten, der Jesus bei Paulus und Johannes ist ein himmlisches Wesen, das vorü-
bergehend auf die Erde gekommen ist. Die sog. religionsgeschichtliche Schule, zu
der auch R. Bultmann und seine Anhänger gehörten, hatte sich die Religionsge-
schichte wie eine große „Kleiderkammer“ vorgestellt, in der die mythischen Bilder
von Jesus, wie sie bei Paulus und Johannes erscheinen, vorgefertigt bereit lagen, um
mit ihnen den historischen Jesus einzukleiden: vor allem mit dem Kyrioskult, mit
Vorstellungen von sterbenden und auferstehenden Sohngottheiten in den Mysteri-
en und mit dem gnostischen Erlösermythos. Der gnostische Erlösermythos war
schon 1961 von C. Colpe in die nachchristliche Zeit datiert worden. Der angebli-
che Kyrioskult der Mysterien löste sich immer mehr auf. Nur Isis wurde Kyria
genannt. Die Deutung sogenannter sterbender und auferstehender Sohngottheiten
erwies sich als interpretatio christiana von Wissenschaftlern, die unbewusst christliche
Modelle von Erlöserrollen in die Quellen hinein projiziert hatten. In einer kleinen
Schrift „Der Sohn Gottes“ (1975) zeigte Hengel dagegen, dass der Ursprung des
Glaubens an den Sohn Gottes in der jüdischen Messiaserwartung liegt und dass seine
Verehrung als Kyrios Übertragung des jüdischen Gottesnamens in der Septuaginta
auf Jesus ist. Auch Vorstellungen von einem präexistenten Wesen, das auf die Erde
kommt, um wieder zu Gott zu gehen, haben ihr Modell in jüdischen Weisheitsspe-
kulationen.
 
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