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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Raible, Wolfgang: Kolloquium an der Universität Freiburg "'Information'. Ein Schlüsselbegriff für Natur und Kulturwissenschaften"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0370
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386 | VERANSTALTUNGEN

fahren. Von den im eigentlichen Sinne semantischen Verfahren, die bei menschlicher
Informationsverarbeitung verwendet werden, sind auch diese Kompressionen noch
weit entfernt. Hier spielt das eine zentrale Rolle, was man bei der Sprach- und der
Bildverarbeitung „semantisches Priming“ nennt: gleichgültig, ob in der Sprache oder
bei der Bildverarbeitung, haben wir stets eine inhaltliche Erwartung hinsichtlich des-
sen, was folgen wird. Bei der Bild Verarbeitung ist dies unter anderem der Grund
dafür, dass wir das meiste von dem, was wir sehen, gar nicht bewusst wahrnehmen
und dass wir durch keinen unserer Sinne leichter zu täuschen sind als durch das
Auge. Wir sehen, was wir zu sehen glauben, auf keinen Fall ein pixelgenaues Bild,
auch wenn es komprimiert ist.
Wenn man Weltwissen als das definiert, was an Bildern und Texten, sei es ana-
log oder digital, aufgezeichnet ist, sorgt die digitale Revolution, die durch die skiz-
zierte Entwicklung der Informatik ermöglicht wurde, für ein gigantisches Anwach-
sen dieses ‘Wissens’. Die Entwicklung, die Hans Burkhardt geschildert hat, lässt,
wenn man sie extrapoliert, freilich hoffen, dass es mit Mitteln der selben Informatik
gelingen wird, diese Überfülle auf das zu reduzieren, was ‘echte’ Information dar-
stellt, also Neues, Unerwartetes, Nützliches.
Der Beitrag von Nikolaus Pfänner über „Signalprozesse in lebenden Zellen“
behandelte das Thema ‘Information’ auf der im Bereich des Lebendigen wohl tief-
sten möglichen Ebene; interessanterweise war es aber der Beitrag, der dem anhand
von Aristoteles skizzierten (physikalischen) Informationsbegriff am nächsten kam.
Hier ging es um Transportprozesse in Zellen. Ablesen und Übersetzen von Informa-
tion, die in der DNA enthalten ist, führt zur Bildung von Ketten aus Aminosäuren,
also Proteinen, die sich je nach den Eigenschaften ihrer Bestandteile (unter anderem:
hydrophob, hydrophil, elektrische Ladung, Wasserstoffbrücken) in bestimmter Weise
verhalten, also Gestalt annehmen und dann an einem bestimmten Zielort in der
Zelle eingesetzt werden. Um dorthin zu gelangen, haben sie Erkennungssequenzen,
mithin wieder etwas, was man als Struktur oder Form bezeichnen könnte. Da gleich-
zeitig viele solcher Proteine in jeder Zelle vorhanden sind und ihre Bestimmungs-
orte erreichen sollen, gibt es entsprechend viele Kontrollmechanismen, die großen-
teils wieder auf Formerkennung basieren, oder auf Formveränderungen, die in
bestimmten Umgebungen (z.B. ‘Schleusen’ an Membranen) möglich sind. Dabei
handelt es sich um in Jahrmillionen optimierte biochemische Prozesse. Ein Para-
debeispiel für eine solche Optimierung ist die DNA selbst. Sie ist, wie schon
erwähnt, zugleich auch das Musterbeispiel dafür, dass die Art der Kodierung mit
dem, was codiert wird, nichts zu tun hat (Nukleotid-Sequenzen „kodieren für” Pro-
tein-Sequenzen). Das informationstheoretische Modell hat also insofern auch hier
Gültigkeit, als man zur Dekodierung besondere Instanzen braucht (z.B. Ribosomen).
Dies gilt natürlich auch für die anderen Instanzen, die für den zielgenauen Transport
der in der Zelle produzierten Proteine sorgen.
Eine Ebene höher, auf der Ebene von Zellverbünden, war der Beitrag von
Peter Jonas anzusiedeln: „Informationsspeicherung im neuronalen Netzwerken“.
Hier geht es mit den elektrischen Impulsen (Spikes), die über Synapsen von einem
Neuron zum anderen weitergegeben werden, unter anderem auch um Informatio-
 
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