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Heeßel, Nils P.; Maul, Stefan M. [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 5): Divinatorische Texte: II. Opferschau-Omina — Wiesbaden: Harrassowitz, 2012

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32174#0027
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Divinatorische Texte II: Opferschau-Omina

die assyrischen Gelehrten, auch wenn ein direkter Einfluß, etwa
durch assyrische Abschriften von babylonischen Tafeln, nicht
nachzuweisen ist. 165

Obwohl durch die Publikation des neunten Faszikels von
KAR durch Erich Ebeling im Jahr 1923 die mittelassyrischen
Opferschau-Kompendien seit langer Zeit bekannt waren, ist erst
vor kurzem bemerkt worden, daß es eine eigene Opferschau-
Serie in Assur gegeben hat. 166 So weisen einige mittelassyrische
Opferschau-Kompendien Stichzeilen auf, die zeigen, daß diese
Texte in eine Serie gestellt waren, auch wenn sie im Kolophon
nicht explizit als Tafel einer Serie bezeichnet werden. Das
Interessante an diesen Incipits und Stichzeilen der mittelassyri-
schen Opferschau-Kompendien ist nun, daß einige mit den
Incipits und Stichzeilen der bärütu-Serie übereinstimmen, wäh-
rend andere davon abweichen. Zu den Texten, bei denen sowohl
das Incipit als auch die Stichzeile erhalten ist, gehören K 205 (+)
Rm2,101 (Nr. 51) und VAT 10125 (Nr. 52). Beide Texte enthal-
ten ominöse Beobachtungen anhand der Lungen eines Schafes;
K 205 (+) Rm2, 101 (Nr. 51) ähnelt sehr stark der achten Tafel
des Kapitels summa hasü der bärütu-Serie während VAT 10125
(Nr. 52) der zehnten Tafel eben dieses Kapitels gleicht. Während
die Incipts dieser Textähnlichkeit Rechnung tragen, weichen die
Stichzeilen hingegen von denen der Tafeln der späteren bärütu-
Serie ab:

Text

Incipit entspricht

Stichzeile entspricht

K 205(+)

(Nr. 51)

8. Tafel von summa hasü

10. Tafel von summa hasü

VAT 10125

(Nr. 52)

10. Tafel von summa hasü

7. Tafel von summa hasü

Das mittelassyrische Opferschau-Kompendium AO 7264
(Nr. 31) 167 weist eine große Ähnlichkeit zur zweiten Tafel des
Kapitels summa martu der bärütu-Serie auf und bietet zudem
eine Stichzeile, die dem Incipit der dritten Tafel von summa
martu entspricht. Der Text VAT 10355 (Nr. 66) entspricht weit-
gehend der ersten Tafel des Kapitels summa multäbiltu und
weist zudem die Stichzeile zur zweiten Tafel dieser Serie auf.
Bei diesen beiden Texten, deren Incipits leider nicht erhalten

165 Es gibt keine einzige mittelassyrische Tafel, die eindeutig von einer in
Assur gefundenen mittelbabylonischen Tafel abgeschrieben wurde.
Einer solchen direkten Abschrift am nächsten kommt die mittelassyri-
sche Tafel VAT 13798 (Nr. 73), die einen der mittelbabylonischen
Tafel VAT 9492 (Nr. 64, KAR 452) ähnlichen, allerdings sich nicht
duplizierenden Text aufweist.

Ein weiterer assyrischer Text, der zu Recht als Abschrift einer babylo-
nischen Tafel gilt, ist VAT 8611 (Nr. 30). Laut des Kolophons ist die
Tafel eine Kopie einer Vorlage aus Babylon, die ein junger Schreiber-
lehrling aus Assur anfertigte. Dabei übertrug er die Form der altbabylo-
nischen Tafel getreu auf seine Abschrift und schrieb den Text mit den-
selben Zeichen wie das Original, d h. mit einem altbabylonischen
Syllabar. Er verwendete jedoch die Zeichenform seiner eigenen, neuas-
syrischen Epoche, so daß die Tafel und der Text zwar eine getreue
Kopie der Vorlage in Form und verwendetem Syllabar, nicht aber in der
Zeichenform sind. Diese Tafel läßt sich nun aber kaum als Beispiel für
die Beeinflussung der mittelassyrischen Texte durch babylonische
Vorlagen heranziehen, da die Abschrift eindeutig aus der neuassyri-
schen Zeit stammt.

166 Siehe dazu die kurzen Bemerkungen zu den Stichzeilen von
VAT 10114 (Nr. 69, KAR 427) und VAT 10125 (Nr. 52, KAR 428) bei
U. S. Koch, Secrets 26.

167 Zu diesem Text, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus Assur
stammt, siehe die Textbearbeitung.

sind, stimmt die Reihenfolge der Tafeln zwischen der mittelas-
syrischen Serie und der bärütu-Serie des 1. Jts. v. Chr. überein:

Text

Incipit entspricht

Stichzeile entspricht

AO 7264

(Nr. 31)

- (nicht erhalten)

3. Tafel von summa martu

VAT 10355

(Nr. 66)

- (nicht erhalten)

2. Tafel von summa multäbiltu

Auch andere mittelassyrische Opferschau-Kompendien weisen
Stichzeilen auf, doch lassen sich diese nicht immer auch unter
den Incipits der bärütu-Serie finden. Hierzu gehört A 8 (Nr. 37),
der zwei verschiedene Texte vereinigt; der zweite Text weist das
Incipit der vierten Tafel von summa ubänu der bärütu-Serie auf,
ob der Text jedoch auch dieser kanonischen Tafel entspricht,
läßt sich nicht feststellen, da bislang kein Manuskript dieser
Tafel der bärütu-Serie identifiziert werden konnte. Die
Stichzeile von A 8 (Nr. 37) entspricht keinem der bekannten
Incipits des Kapitels summa ubänu. Ganz analog hat VAT 10114
(Nr. 69, KAR 427) große Ähnlichkeiten zur 13. Tafel von
summa multäbiltu, doch läßt sich die Stichzeile dieses Textes
nicht mit einem Incipit der bärütu-Serie verbinden:

Text

Incipit entspricht

Stichzeile entspricht

A 8 (Nr. 37)

4. Tafel von summa ubänu

keiner Tafel der bärütu-

Serie

VAT 10114

(Nr. 69)

13. Tafel von summa hasü

keiner Tafel der bärütu-

Serie

Nur eines der mittelassyrischen Opferschau-Kompendien, die
sich durch Stichzeilen als Teile einer Serie zu erkennen geben,
bietet im Kolophon eine Tafelzählung. Es handelt sich um den
Text zur Kalkulation der Zeitspanne einer Opferschau VAT
13798 (Nr. 73), der im Kolophon als 15. und letzte Tafel 168 einer
ungenannten Serie eingeordnet wird.

Die Frage ist nun, ob diese in mittelassyrischen Opferschau-
Kompendien aus Assur belegte und spätestens aus der
Tiglatpileser I.-Zeit 169 stammende Serie eine genuin assyrische
Schöpfung darstellt, oder ob hier einer babylonischen Serien-
bildung, für die der oben besprochene Text VAT 9512 (Nr. 8)
beispielhaft sein könnte, gefolgt wird. Angesichts der
Quellenlage, vor allem der babylonischen Opferschau-Texte,
wird sich dies momentan nicht völlig zweifelsfrei beantworten
lassen, doch sprechen natürlich die zahlreichen Stichzeilen in
mittelassyrischen Texten für eine mittelassyrische Serien-
bildung. Diese Hypothese läßt sich durch weitere Hinweise
erhärten. So kam die Vorlage des Kompendiums VAT 13798

168 VAT 13798 (Nr. 73) Rs. 9’: AL.TIL IGI.[KÄ]R GABA.RI URU SÄ-URU
tup-pi 15-KÄM.MA „Zu Ende. Kollationiert. Vorlage aus libbi äli.
15. Tafel.“ Der Vermerk AL.TIL zeigt an, daß die Serie mit dieser Tafel
beendet wird, der Text weist keine Stichzeile auf.

169 Die meisten Manuskripte der mittelassyrischen Opferschau-Serie lassen
sich nicht genau datieren. Da der in VAT 10125 (Nr. 52) genannte
Eponym Ill-uballissu keinem König sicher zuzuordnen ist (siehe dazu
bereits oben S. 10), ist das früheste sicher zu datierende Manuskript der
mittelassyrischen Opferschau-Serie das bereits erwähnte, von Samas-
zera-iddina kopierte Omen-Kompendium K 205 (+) Rm2,101 (Nr. 51),
das sich in die Regierungsszeit von Tiglatpileser I. (1114-1076 v. Chr.)
datieren läßt.
 
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