Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0012
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung des Herausgebers

XI

Ich geh, ich weiß nicht wohin,
Mich wundert’s, daß ich fröhlich bin.«12
Indem Jaspers sich darauf beschränkt, die »Herkunft« des Menschen, »die vor aller
Welt und über alle Welt hinaus ist, in der Welt aber nicht Gegenstand werden kann«,13
in einer absoluten Transzendenz zu verorten, die erklärtermaßen nicht die absolute
Transzendenz Gottes ist, scheint er eine grundsätzliche Differenz zur Theologie zu
markieren, die ja - gerade auch als negative - nichts anderes ist als eben dieses: Äoyoc,
vom 0e6g, denkende Rede von Gott. Wer von Gott spricht, denkt unwillkürlich an eine
Person und verliert den reinen, hohen und vollen Sinn von Transzendenz: »Existenz
ist Selbstsein als Personsein. Weil der Mensch sich, er weiß nicht woher, geschenkt
weiß, drängt es ihn, sich die Transzendenz selber als Person erscheinen zu lassen. Sie
wird ihm zur Chiffer >Gott<, aber ungemäß. Im Besten, das er in der Welt kennt, dem
Personsein, wird ihm die Transzendenz doch gleichsam erniedrigt zu dem, was der
Mensch ist.«14 Deshalb ist die Rede von Gott noch als Chiffer der Transzendenz pro-
blematisch. Wer kann, sollte ganz darauf verzichten. Wem das nicht gelingt oder zu
wenig ist, muss wissen, dass er in seinem Bedürfnis nach Leibhaftigkeit auch dann zu
kurz greift, wenn er den Unterschied zwischen Leibhaftigkeit und Chiffer beachtet:
»Ein direkter Umgang mit der verborgenen Transzendenz ist nicht möglich. Sofern der
Mensch sich nicht darauf beschränkt, sich in seinem Sichgeschenktwerden hinzuneh-
men und in der Verantwortung seiner Freiheit zu existieren, dem Schweigen aber mit
Schweigen zu begegnen, vollzieht er seinen Umgang in der Chiffernwelt«,15 also mit
einem Gott, der als Person weniger ist als Transzendenz. Jaspers warnt daher vor dem
»Irrtum, Transzendenz und Gott synonym zu gebrauchen.«16
Aus alldem kann man eigentlich nur schließen: Philosophie und Theologie reden
in ihrem Denken von etwas völlig Verschiedenem. Jaspers geht bei dieser Abgrenzung
so weit, dass er allein dem philosophischen Denken bescheinigt, jenem »Ursprung,
aus dem wir leben«, bis heute treu geblieben zu sein, während das theologische Den-
ken ihn von Anfang an verraten habe, indem es ihn durch die Behauptung einer Selbst-
offenbarung Gottes in Jesus Christus kurzerhand in die Welt verlegte: »Dieses Denken
heißt, wenn es aus einer geschichtlich bestimmten Offenbarung erfolgt und durch sie
begrenzt wird, Theologie, wenn es aus dem Ursprung des Menschseins geschieht,
Philosophie.«17 Wäre Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung das letzte

12 Ebd., 114 u. 468-469. - Als geistige Klammer hat Jaspers den Spruch bereits in seiner 1961 gehal-
tenen Basler Abschiedsvorlesung verwendet (vgl. K. Jaspers: Die Chi fern der Transzendenz, 13 u.
112).
13 K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, in diesem Band, S. 117.
14 Ebd., 266.
15 Ebd., 267.
16 Ebd., 268.
17 Ebd., 120.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften