XII
Einleitung des Herausgebers
Wort in dieser Sache, käme das, was Philosophie und Theologie gemeinsam ist und
ihrem verschiedenen Denken vorausliegt, der Ursprung, aus dem wir leben, kaum in
den Blick.
Dagegen spricht nicht nur die erwähnte Stelle aus dem Gespräch im Nachgang zu
dem Buch. Zahrnt hat in seiner Frage ja schon angedeutet, dass dessen Gegenstand,
der philosophische Glaube, kein neu eingeführter Begriff ist, sondern im philosophi-
schen Diskurs als bekannt vorausgesetzt wird - man habe sich daran gewöhnt. In der
Tat ist die maßgebliche Schrift, Der philosophische Glaube, bereits 1948 erschienen, im
Umfang deutlich schmaler, in der Gedankenführung deutlich straffer, da sie aus sechs
thematischen Vorlesungen besteht, die Jaspers im Jahr zuvor in Basel gehalten hatte.
Sie bringt eine mit der Philosophie von 1932 einsetzende Entwicklung zum Abschluss
und gibt bereits durch ihren schlichten Titel zu verstehen, dass der philosophische
Glaube hier primär nicht über die Abgrenzung von einer externen Größe, sondern als
er selber zum Thema wird. Das ändert an der agnostischen Haltung gegenüber dem
Offenbarungsglauben nichts, bewirkt aber, dass über die Differenzen zwischen Philo-
sophie und Theologie hinweg ein gemeinsamer Boden sichtbar bleibt, den Jaspers in
dem Satz »Gott ist«18 festhält.
Für das Verständnis des Buches von 1962 ist die Schrift von 1948 daher unabding-
bar. Jaspers selbst setzt ihre Kenntnis voraus, wenn er darauf verzichtet, den Begriff des
philosophischen Glaubens sowie die wesentlichen philosophischen Glaubensgehalte
noch einmal darzustellen. Ganz im Sinne des Titels geht Der philosophische Glaube an-
gesichts der Offenbarung gleich in die Auseinandersetzung. Der erste Teil, »Aus der Ge-
schichte des Glaubens und der Kirche: Der Begriffskreis um den Offenbarungsglau-
ben«, steckt das Feld ab und stellt den Gegner für die in den weiteren Teilen folgende
Argumentation. Überspitzt könnte man sagen: Der philosophische Glaube angesichts der
Offenbarung gibt der Offenbarung mehr Gewicht als dem philosophischen Glauben,
der doch eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte. Zahrnts Frage führt deshalb unum-
gänglich zu den Anfängen zurück. Bevor nicht rekonstruiert ist, aus welchen Quellen
Jaspers den philosophischen Glauben schöpft und wie er ihn im Zuge seines philo-
sophischen Denkens ausbildet, lässt sich das Buch nicht angemessen würdigen.
1. Der philosophische Glaube als unbedingte Gewissheit
Kein Glaube, auch der philosophische nicht, lässt sich durch Denken erzeugen. Ge-
nauso wenig stellt er sich, gleichsam nebenher und beiläufig, im Denken einfach ein.
Wenn überhaupt, wird er sich im Denken bewusst. Das aber heißt: Er liegt dem Den-
ken immer schon voraus. Diese Einsicht stand für Jaspers nie zur Disposition, sie war
ihm eine philosophische Gewissheit ein Leben lang. Die entsprechenden Formulie-
18 K. Jaspers: Der philosophische Glaube, 33.
Einleitung des Herausgebers
Wort in dieser Sache, käme das, was Philosophie und Theologie gemeinsam ist und
ihrem verschiedenen Denken vorausliegt, der Ursprung, aus dem wir leben, kaum in
den Blick.
Dagegen spricht nicht nur die erwähnte Stelle aus dem Gespräch im Nachgang zu
dem Buch. Zahrnt hat in seiner Frage ja schon angedeutet, dass dessen Gegenstand,
der philosophische Glaube, kein neu eingeführter Begriff ist, sondern im philosophi-
schen Diskurs als bekannt vorausgesetzt wird - man habe sich daran gewöhnt. In der
Tat ist die maßgebliche Schrift, Der philosophische Glaube, bereits 1948 erschienen, im
Umfang deutlich schmaler, in der Gedankenführung deutlich straffer, da sie aus sechs
thematischen Vorlesungen besteht, die Jaspers im Jahr zuvor in Basel gehalten hatte.
Sie bringt eine mit der Philosophie von 1932 einsetzende Entwicklung zum Abschluss
und gibt bereits durch ihren schlichten Titel zu verstehen, dass der philosophische
Glaube hier primär nicht über die Abgrenzung von einer externen Größe, sondern als
er selber zum Thema wird. Das ändert an der agnostischen Haltung gegenüber dem
Offenbarungsglauben nichts, bewirkt aber, dass über die Differenzen zwischen Philo-
sophie und Theologie hinweg ein gemeinsamer Boden sichtbar bleibt, den Jaspers in
dem Satz »Gott ist«18 festhält.
Für das Verständnis des Buches von 1962 ist die Schrift von 1948 daher unabding-
bar. Jaspers selbst setzt ihre Kenntnis voraus, wenn er darauf verzichtet, den Begriff des
philosophischen Glaubens sowie die wesentlichen philosophischen Glaubensgehalte
noch einmal darzustellen. Ganz im Sinne des Titels geht Der philosophische Glaube an-
gesichts der Offenbarung gleich in die Auseinandersetzung. Der erste Teil, »Aus der Ge-
schichte des Glaubens und der Kirche: Der Begriffskreis um den Offenbarungsglau-
ben«, steckt das Feld ab und stellt den Gegner für die in den weiteren Teilen folgende
Argumentation. Überspitzt könnte man sagen: Der philosophische Glaube angesichts der
Offenbarung gibt der Offenbarung mehr Gewicht als dem philosophischen Glauben,
der doch eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte. Zahrnts Frage führt deshalb unum-
gänglich zu den Anfängen zurück. Bevor nicht rekonstruiert ist, aus welchen Quellen
Jaspers den philosophischen Glauben schöpft und wie er ihn im Zuge seines philo-
sophischen Denkens ausbildet, lässt sich das Buch nicht angemessen würdigen.
1. Der philosophische Glaube als unbedingte Gewissheit
Kein Glaube, auch der philosophische nicht, lässt sich durch Denken erzeugen. Ge-
nauso wenig stellt er sich, gleichsam nebenher und beiläufig, im Denken einfach ein.
Wenn überhaupt, wird er sich im Denken bewusst. Das aber heißt: Er liegt dem Den-
ken immer schon voraus. Diese Einsicht stand für Jaspers nie zur Disposition, sie war
ihm eine philosophische Gewissheit ein Leben lang. Die entsprechenden Formulie-
18 K. Jaspers: Der philosophische Glaube, 33.