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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0014
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Einleitung des Herausgebers

XIII

rungen haben sich über die Jahre nicht verändert. Im Hauptwerk von 1932 stellt sich
das Verhältnis von Glaube und Denken so dar: »Es ist unmöglich, allein durch Den-
ken die Wahrheit zu finden. Denken, als solches grundlos, ist, wenn es Wahrheit er-
faßt, erfüllt aus einem Anderen«, von dem »gilt: was im Denken hell wird, ohne selbst
nur ein Gedachtes zu sein, ist ein Geglaubtes. Glaube ist weder durch Argumente zu
erzwingen noch durch Faktizität zu beweisen; es ist nur aus ihm her oder in Richtung
zu ihm hin zu denken.«19 Im Alterswerk von 1962 heißt es: »Glaube kann nicht durch
einen Gedanken erzwungen, auch nicht als bloßer Inhalt angegeben und mitgeteilt
werden. Glaube ist die Kraft, in der ich mir gewiß bin aus einem Grunde, den ich wohl
bewahren, aber nicht herstellen kann.«20
Jaspers hat in seiner Autobiographie betont, dass ihm der philosophische Glaube
»erst spät ganz bewußt«21 geworden sei. Ein entsprechendes Selbstverständnis ist zwar
von Anfang an da, benötigt aber eine geraume Zeit, um sich auszubilden. Erst mit der
einschlägigen Schrift von 1948 ist Jaspers der philosophische Glaube zu vollem Be-
wusstsein gelangt.
Zunächst schien es nicht einmal den Begriff zu geben. Jaspers ging in der Geistigen
Situation der Zeit (1931) und in der Philosophie (1932) noch ganz allgemein vom Glau-
ben aus, ohne dass »der Glaube, der philosophisch ist«,22 besonders hervorgehoben
war. Das schloss nicht aus, dass die Rede vom philosophischen Glauben gelegentlich
vorkam. So etwa, wenn Jaspers seine Kritik an Marxismus, Psychoanalyse und Rassen-
theorie dahin gehend zusammenfasste, dass diese Richtungen nicht nur »die Gott-
heit«, sondern auch »jede Gestalt philosophischen Glaubens«23 zu Fall brächten. Doch
solche Wendungen blieben die Ausnahme. Die Regel waren Sätze wie: »Philosophie
ist nicht Eigengesetzlichkeit einer Sphäre, sondern Ausdruck der Unbedingtheit eines
Glaubens«24 - was auch immer unter diesem Glauben zu verstehen sein mochte. Ob
es so etwas wie einen philosophischen Glauben geben könne, war zu dieser Zeit bes-
tenfalls eine Hoffnung wider alle Zweifel. »Es ist zu fragen, ob Glauben außerhalb der
Religion überhaupt möglich ist. Philosophieren entspringt in diesem Fragen. Sinn des
Philosophierens ist heute, sich in seinem unabhängigen Glauben aus eigenem Grunde
zu vergewissern.«25
Erstmals begrifflichen Status erhielt der philosophische Glaube in der fünften und
letzten Vorlesung von Vernunft und Existenz (1935). Dort erschien er als befreiender

19 K. Jaspers: Philosophie I, 246.
20 K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, in diesem Band, S. 131.
21 K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 115.
22 K. Jaspers: Die geistige Situation derzeit, 200. Vgl. auch die Rede von einem »Glauben, der entwe-
der philosophisch oder religiös ist«, in: K. Jaspers: PhilosophieI, 315.
23 K. Jaspers: Die geistige Situation der Zeit, 159.
24 K. Jaspers: Philosophie I, 256.
25 K. Jaspers: Die geistige Situation der Zeit, 142.
 
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