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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0017
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XVI

Einleitung des Herausgebers

Philosophie mit der Vorwegnahme kritischer Fragen, die Jaspers zu entkräften suchte,
in diesem Fall zur angeblichen Wirklichkeitsferne des philosophischen Glaubens.37
Das änderte sich schlagartig, als Jaspers nach dem Krieg die Schrift Der philosophi-
sche Glaube veröffentlichte. Was bisher nur mitschwang, wenn auch in zunehmender
Stärke, rückte nun als Thema ins Zentrum seines Philosophierens. Gleich die beiden
ersten Vorlesungen, »Der Begriff des philosophischen Glaubens« und »Philosophische
Glaubensgehalte«, brachten das bislang Versäumte und Vermisste. Während die erste
noch Bestimmungen aus den vorausgegangenen Schriften aufgriff, um sie in einen
größeren begrifflichen Zusammenhang zu stellen, erschloss die zweite einen neuen
Bereich. Jaspers hatte inzwischen erkannt, dass der philosophische Glaube im forma-
len Transzendieren leerzulaufen drohte, wenn er sich nicht auf die Gehalte besann,
die ihn motivierten. Ausdrücklich unterschied er nun den Glauben nach seiner sub-
jektiven und nach seiner objektiven Seite: »In ihm ist untrennbar der Glaube, aus dem
ich überzeugt bin und der Glaubensinhalt, den ich ergreife - der Glaube, den ich voll-
ziehe und der Glaube, den ich im Vollzug mir aneigne -, fides qua creditur und fides
quae creditur. Die subjektive und die objektive Seite des Glaubens sind ein Ganzes.«38
Wer wollte, konnte den darauf folgenden Satz als verdeckte Selbstkritik lesen: »Nehme
ich nur die subjektive Seite, so bleibt ein Glaube als Gläubigkeit, ein Glaube ohne Ge-
genstand, der sozusagen nur sich selber glaubt, der Glaube ohne Wesentlichkeit des
Glaubensinhaltes.«39
Jaspers formulierte die philosophischen Glaubensgehalte in drei thesenartig zuge-
spitzten Sätzen: »Gott ist«, »Es gibt die unbedingte Forderung«, »Die Welt hat ein ver-
schwindendes Dasein zwischen Gott und Existenz«.40 Hier war gleich zweimal von
Gott die Rede. Diese Unvermitteltheit, dieses Geradezu war neu und musste auffallen,
nachdem Jaspers sich sowohl in Vernunft und Existenz als auch in der Existenzphiloso-
phie diesbezüglich zurückgehalten hatte. Nicht wenige schlossen daraus, er sei über
die Jahre religiös geworden. Von einer schleichenden Bekehrung zum christlichen
Glauben konnte freilich keine Rede sein. Vielmehr handelte es sich um den letzten
Schritt in der Selbstvergewisserung des philosophischen Glaubens. Jaspers kehrte mit
dem Satz »Gott ist« an den bis dahin unausgesprochenen Anfang seines Philosophie-
rens zurück. Den Weg des Gottsuchens, von dem er in Vernunft und Existenz gespro-

37 Ebd., 78-85.
38 K. Jaspers: Der philosophische Glaube, 14.
39 Ebd.
40 Ebd., 33. - Jaspers hatte diese drei Glaubensgehalte bereits in den 1942/43 entstandenen Grund-
sätzen des Philosophierens unterschieden. Sie standen dort neben zwei weiteren: »Der Mensch ist
endlich und unvollendbar« und »Der Mensch kann in Führung durch Gott leben« (K. Jaspers:
Grundsätze des Philosophierens, 1. TL: »Philosophische Glaubensgehalte«; vgl. die von Helmut
Wautischer besorgte, auf einer gekürzten Vorlage von Hans Saner basierende Übersetzung der
Einleitung und des 1. Teils, »Principles for Philosophizing: Introduction to Philosophical Life,
1942/43«, sowie K. Jaspers: Einführung in die Philosophie, 78-82).
 
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