Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0083
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LXXXII

Einleitung des Herausgebers

Hoffnung auf einen Konsens, der erst in einem moralisch-praktischen Diskurs in den
Blick gerät. Die Pointe daran ist, dass diese Hoffnung nur so lange besteht, wie die in-
haltlichen Differenzen konsequent ausgetragen werden. Erst dann nämlich wächst
zwischen den Kommunikationspartnern die Einsicht, über die formalen Bedingun-
gen, wie sie sich in der Welt finden, miteinander verbunden zu sein. Im Kampf der
Glaubensmächte sind ethisch-existentieller Diskurs und moralisch-praktischer Dis-
kurs auf eigentümliche Weise verschränkt, und zwar so, dass die Verschränkung mit
den Mitteln einer Theorie kommunikativen Handelns allein nicht mehr geklärt wer-
den kann. Ist das Telos von Verständigung dissensual und konsensual zugleich, grei-
fen in normativer Absicht rekonstruierte Spielregeln zu kurz. Solche Diskurse lassen
sich nicht in die Form eines rationalen Verfahrens gießen. Beschreibbar werden sie erst
durch ein philosophisches Grundwissen, in dem ein Glaube an die Möglichkeit unver-
kürzter Verständigung wirksam ist.
Weitere Verkürzungen schlossen sich unmittelbar an. Ging es im ethisch-existen-
tiellen Kampf der Glaubensmächte lediglich darum, größere Klarheit über sich selbst
zu erzielen, musste das philosophische Grundwissen, das diesen Kampf eigentlich zu
einem »diskursiven Streit besänftigen«388 sollte, zwangsläufig als eine »Ethik« erschei-
nen, »die angibt, wie man das Selbstsein praktiziert«.389 Seine versöhnende Funktion
konnte es dann streng genommen gar nicht mehr erfüllen: »Tatsächlich könnte nur ein
unparteiliches Grundwissen die angestrebte Kommunikation zwischen verschiedenen
Glaubensmächten fördern.«390 Doch wie sollte das gehen, wenn der im Grundwissen
wirksame Glaube selbst Partei war und immer schon in den Kampf eingriff? »Jaspers
beschreibt die Bedingungen der Selbstvergewisserung und des Selbstseinkönnens un-
verkennbar aus der Perspektive einer bestimmten, nämlich der philosophisch ange-
eigneten reformatorischen Tradition.«391 So kam Habermas zu dem Schluss: »Den An-
tagonismus der Glaubensmächte, den die Philosophie untersucht, erfährt sie an sich
selbst. Als philosophischer Glaube tritt sie nur noch im Plural auf und beansprucht
ebenso wenig Allgemeingültigkeit wie die metaphysischen und religiösen Lehren, de-
ren Wahrheitsgehalte sie retten will.«392 Indem er daran erinnerte, dass der ethisch-
existentielle Kampf der Glaubensmächte von Einsichten zehre, die mit den Mitteln der
Existenzphilosophie nicht zu rekonstruieren seien, wies er Jaspers wieder die Rolle
eines Vorläufers zu, von der ihn Fahrenbach halbherzig befreit hatte.

388 J. Habermas: »Vom Kampf der Glaubensmächte«, 42.
389 Ebd., 52. Ähnlich: »Das philosophische Grundwissen stellt den begrifflichen Rahmen bereit für
eine mögliche ethisch-existentielle Selbstverständigung« (ebd., 50).
390 Ebd., 56.
391 Ebd., 52.
392 Ebd.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften