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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0082
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Einleitung des Herausgebers

LXXXI

von der Rolle eines Vorläufers befreit, um sogleich auf die Rolle eines Zuarbeiters fest-
gelegt zu werden. Sein Beitrag beschränkte sich auf die Erhellung »unentwickelter
Randzonen«383 der Theorie kommunikativen Handelns, ohne diese selbst auf eine mög-
liche Glaubensgrundlage zu befragen.
Anders als Fahrenbach nahm Habermas den philosophischen Glauben durchaus
ernst, indem er ihn zum Gegenstand seines Nachdenkens machte. Als er 1995 den Karl-
Jaspers-Preis erhielt, thematisierte er in seiner Dankesrede das Verhältnis von philoso-
phischem Glauben und existenzieller Kommunikation vor dem Hintergrund einer ra-
dikal veränderten Weltlage.384 Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem
Ende des Kalten Krieges sei Jaspers plötzlich wieder aktuell geworden, da nun jener
Konflikt der Kulturen die Weltöffentlichkeit bewege, den sein Alterswerk Der philoso-
phische Glaube angesichts der Offenbarung vorweggenommen habe. Mit der Idee eines
philosophischen Grundwissens, so Habermas weiter, habe Jaspers einen beachtens-
werten Beitrag zu der Frage geleistet, wie eine »friedenstiftende Kommunikation« zwi-
schen konkurrierenden Glaubensmächten möglich sei, »die im intellektuellen Kampf
zugleich versöhnt, indem sie streitende, aber voneinander lernende Parteien verbin-
det, ohne berechtigte Gegensätze einzuebnen«.385
Freilich stand auch bei Habermas die Auseinandersetzung mit dem philosophi-
schen Glauben unter einschränkenden Bedingungen. Er öffnete sich der Sache nur
insoweit, als seine Theorie kommunikativen Handelns es zuließ. Gemäß der Unter-
scheidung zwischen moralisch-praktischen, ethisch-existentiellen und pragmatisch-
technischen Diskursen ordnete er den Kampf der Glaubensmächte dem zweiten Dis-
kurstyp zu: Vorbild sei »das ethisch-existentielle Gespräch, in dem wir größere Klarheit
über die eigene Eebensorientierung suchen. [...] In der Begegnung mit fremden Exis-
tenzen gewinnen wir Klarheit über die Glaubensmacht, aus der die eigene Existenz
ihre Kraft zieht. So vollzieht sich die existentielle Kommunikation als Kampf der
Glaubensmächte. «386
Schon diese Zuordnung stellte eine problematische Verkürzung dar, denn der
Kampf der Glaubensmächte zielt gerade nicht darauf ab, in der Auseinandersetzung
mit dem anderen über sich selbst klar zu werden. Treibende Kraft ist vielmehr die
»Hoffnung auf Einmütigkeit«387 jenseits konkurrierender Glaubensmächte, also die

383 H. Fahrenbach: »Kommunikative Vernunft - ein zentraler Bezugspunkt zwischen Karl Jaspers
und Jürgen Habermas«, 207.
384 Vgl. J. Habermas: »Vom Kampf der Glaubensmächte. Karl Jaspers zum Konflikt der Kulturen«, in:
ders.: Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philosophische Essays, Frankfurt a.M.
1997, 41-58.
385 Ebd., 42.
386 Ebd., 51. - Zur Unterscheidung der drei Diskurstypen vgl. J. Habermas: »Vom pragmatischen, ethi-
schen und moralischen Gebrauch der praktischen Vernunft«, in: ders.: Erläuterungen zur Diskurs-
ethik, Frankfurt a.M. 1991,100-118.
387 K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, in diesem Band, S. 122.
 
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