LXXX
Einleitung des Herausgebers
der kantischen Transzendentalphilosophie. Um deutlich zu machen, wie weitreichend
Jaspers diese Tradition fortgeschrieben hatte, brachte er alle wichtigen Äußerungen
zur Idee des philosophischen Grundwissens in einen umfassenden Zusammenhang.
Konkret ging es Fahrenbach darum, Jaspers aus der etablierten Rolle eines Vorläu-
fers von Habermas herauszulösen und so zu positionieren, dass dadurch Impulse für
dessen Theorie kommunikativen Handelns zu gewinnen waren.379 Besonders hob er
hervor, dass Jaspers die kommunikative Vernunft viel weiter fasse als Habermas, der
sie, vom philosophischen Grundwissen aus gesehen, letztlich auf das Muster der Ver-
standesrationalität des Bewusstseins überhaupt zuschneide und so ihr Anderes aus
dem Blick verliere.380 Damit schien die Voraussetzung geschaffen, Jaspers an einem
zentralen Punkt in den philosophischen Diskurs der Moderne einzuführen: Zehrte die
kommunikativ entgrenzte, dezentrierte Vernunft nicht von einem Glauben an die
Möglichkeit unverkürzter Verständigung, einem Glauben, der in der Theorie des kom-
munikativen Handelns zwar vorausgesetzt, aber noch nicht eingeholt war? Und wurde
nicht erst von diesem Glauben her das Engagement verständlich, mit dem Habermas
seit Jahren für die Durchsetzung unverkürzter Verständigungsverhältnisse in Politik
und Gesellschaft eintrat?
Bedauerlicherweise erlag Fahrenbach jedoch dem Irrtum, das philosophische
Grundwissen erst dann in vollem Umfang anschlussfähig machen zu können, wenn
er es vom philosophischen Glauben trennte. Als Gegenbegriff zum wissenschaftlichen
Wissen habe der philosophische Glaube, der »dem philosophischen Denken eine all-
gemeingültige Erkenntnis- und Wissensmöglichkeit gänzlich abzusprechen scheint«,
mehr als alles andere »das Bild der Philosophie von Jaspers geprägt und ihre Rezep-
tion sicher auch negativ beeinflußt«.381 Nachdem Fahrenbach ihn als die eigentliche
Ursache für das mangelnde Interesse am philosophischen Grundwissen identifiziert
hatte, konnte er dieses umso entschiedener an das wissenschaftliche Wissen anglei-
chen. Dementsprechend forcierte er seinen wissenschaftsanalogen Status und spielte
seinen Bezug zur existentiellen Philosophie herunter.382 Dass auch im Grundwissen
ein Glaube wirkte, erwähnte er zwar, doch um was für einen Glauben es sich dabei
handeln sollte, wenn es kein philosophischer war, fragte er nicht mehr. Im Blick auf
Habermas, an dem Fahrenbach in erster Linie orientiert war, hieß das: Jaspers wurde
379 Vgl. H. Fahrenbach: »Das »philosophische Grundwissen< kommunikativer Vernunft«, 247, sowie
in Weiterführung dazu: »Kommunikative Vernunft - ein zentraler Bezugspunkt zwischen Karl
Jaspers und Jürgen Habermas«, in: K. Salamun (Hg.): Karl Jaspers. Zur Aktualität seines Denkens,
München, Zürich 1991,189-216.
380 Vgl. ebd., 206-207,210-211.
381 H. Fahrenbach: »Das »philosophische Grundwissen< kommunikativer Vernunft«, 240. Vgl. auch
die folgende Äußerung: »Die Metaphysik als Rede über Transzendenz ist, trotz der methodischen
Zurücknahme ihres Anspruchs auf ein Lesen und Deuten der Seinschiffernf,] sicher der proble-
matischste Teil der Philosophie von Jaspers.« (Ebd., 242)
382 Vgl. ebd., 254-258.
Einleitung des Herausgebers
der kantischen Transzendentalphilosophie. Um deutlich zu machen, wie weitreichend
Jaspers diese Tradition fortgeschrieben hatte, brachte er alle wichtigen Äußerungen
zur Idee des philosophischen Grundwissens in einen umfassenden Zusammenhang.
Konkret ging es Fahrenbach darum, Jaspers aus der etablierten Rolle eines Vorläu-
fers von Habermas herauszulösen und so zu positionieren, dass dadurch Impulse für
dessen Theorie kommunikativen Handelns zu gewinnen waren.379 Besonders hob er
hervor, dass Jaspers die kommunikative Vernunft viel weiter fasse als Habermas, der
sie, vom philosophischen Grundwissen aus gesehen, letztlich auf das Muster der Ver-
standesrationalität des Bewusstseins überhaupt zuschneide und so ihr Anderes aus
dem Blick verliere.380 Damit schien die Voraussetzung geschaffen, Jaspers an einem
zentralen Punkt in den philosophischen Diskurs der Moderne einzuführen: Zehrte die
kommunikativ entgrenzte, dezentrierte Vernunft nicht von einem Glauben an die
Möglichkeit unverkürzter Verständigung, einem Glauben, der in der Theorie des kom-
munikativen Handelns zwar vorausgesetzt, aber noch nicht eingeholt war? Und wurde
nicht erst von diesem Glauben her das Engagement verständlich, mit dem Habermas
seit Jahren für die Durchsetzung unverkürzter Verständigungsverhältnisse in Politik
und Gesellschaft eintrat?
Bedauerlicherweise erlag Fahrenbach jedoch dem Irrtum, das philosophische
Grundwissen erst dann in vollem Umfang anschlussfähig machen zu können, wenn
er es vom philosophischen Glauben trennte. Als Gegenbegriff zum wissenschaftlichen
Wissen habe der philosophische Glaube, der »dem philosophischen Denken eine all-
gemeingültige Erkenntnis- und Wissensmöglichkeit gänzlich abzusprechen scheint«,
mehr als alles andere »das Bild der Philosophie von Jaspers geprägt und ihre Rezep-
tion sicher auch negativ beeinflußt«.381 Nachdem Fahrenbach ihn als die eigentliche
Ursache für das mangelnde Interesse am philosophischen Grundwissen identifiziert
hatte, konnte er dieses umso entschiedener an das wissenschaftliche Wissen anglei-
chen. Dementsprechend forcierte er seinen wissenschaftsanalogen Status und spielte
seinen Bezug zur existentiellen Philosophie herunter.382 Dass auch im Grundwissen
ein Glaube wirkte, erwähnte er zwar, doch um was für einen Glauben es sich dabei
handeln sollte, wenn es kein philosophischer war, fragte er nicht mehr. Im Blick auf
Habermas, an dem Fahrenbach in erster Linie orientiert war, hieß das: Jaspers wurde
379 Vgl. H. Fahrenbach: »Das »philosophische Grundwissen< kommunikativer Vernunft«, 247, sowie
in Weiterführung dazu: »Kommunikative Vernunft - ein zentraler Bezugspunkt zwischen Karl
Jaspers und Jürgen Habermas«, in: K. Salamun (Hg.): Karl Jaspers. Zur Aktualität seines Denkens,
München, Zürich 1991,189-216.
380 Vgl. ebd., 206-207,210-211.
381 H. Fahrenbach: »Das »philosophische Grundwissen< kommunikativer Vernunft«, 240. Vgl. auch
die folgende Äußerung: »Die Metaphysik als Rede über Transzendenz ist, trotz der methodischen
Zurücknahme ihres Anspruchs auf ein Lesen und Deuten der Seinschiffernf,] sicher der proble-
matischste Teil der Philosophie von Jaspers.« (Ebd., 242)
382 Vgl. ebd., 254-258.