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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0130
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung 29
2. Was in Subjekt und Objekt gespalten die Stätte der Erscheinung wird, nennen
wir das Umgreifende.
Wenn wir es vergegenwärtigen, so denken wir es, als ob es selber - wider seine Wirk-
lichkeit - Objekt werden könnte, oder als ob es das Subjekt wäre, das wir als Objekt vor
Augen bringen. Gestatten wir uns diese Unumgänglichkeit des Denkweges, so zeigt sich:
Das Umgreifende denken wir entweder von der Subjektseite her: dann ist es das
Sein, das wir sind und worin uns jede Seinsweise vorkommt, unser Dasein, das Bewußt-
sein überhaupt, der Geist. Oder wir denken es von der Objektseite her: dann ist es das
Sein, in dem und wodurch wir sind: die Welt.
Dies gesamte, nirgends sich schließende, daher ungeschlossen Schwebende heißt
das Sein der Immanenz. Erst durch einen Sprung von dorther betreten wir den Boden,
auf dem nach der Subjektseite das Umgreifende das Selbstsein der Existenz ist, nach der
Objektseite das Umgreifende der Transzendenz.
Wir vergegenwärtigen diese Weisen des Umgreifenden (Bewußtsein überhaupt, Da-
sein, Geist, Existenz, - Welt und Transzendenz):
3. Bewußtsein überhaupt nennen wir im individuell variierenden, erlebenden, wirkli-
chen Bewußtsein das allen gemeinsame Bewußtsein. Es ist nicht die zufällige Subjektivität
der Vielen, sondern die eine Subjektivität, die das Allgemeine und Allgemeingültige ge-
genständlich erfaßt. Dieses Bewußtsein überhaupt ist der Punkt, in dem jeder jeden an-
deren vertre | ten kann, ein dem Sinne nach einziger, an dem alle mehr oder weniger teil- 2 6
haben. Ihm zeigt sich, was denkbar ist und erkennbar wird, in den ihm eigenen Formen
der Denkbarkeiten überhaupt, in den zu ihm gehörenden Strukturen und Kategorien.
Als individuelles Bewußtsein unseres lebendigen Daseins sind wir, in der Enge der
Vereinzelung, umgreifend nur als dieses jeweilige Dasein. Als Bewußtsein überhaupt
dagegen nehmen wir teil an einem Unwirklichen, aber Gültigen, der allgemeingülti-
gen Richtigkeit des Erkennens, und sind als solches Bewußtsein grundsätzlich ein der
Möglichkeit nach grenzenlos Umgreifendes.
Bewußtsein überhaupt ist das Umgreifende, das wir sind nicht als das mehrfache,
ähnliche und artweise verschiedene lebendige Bewußtsein, sondern das wir sind als
das eine, mit sich identische, Identisches meinende und richtig erkennende Bewußt-
sein, das allen endlichen denkenden Wesen gemeinsam ist.
4. Dasein ist in seiner Umwelt, auf die es reagiert und in die es hineinwirkt. Es voll-
zieht als solches noch kein denkendes Meinen von Gegenständen, macht dieses Den-
ken aber, das Bewußtsein überhaupt, wenn es im Menschen aufgetreten ist, es sich un-
terwerfend, zum Mittel seiner Interessen.
Dasein findet sich als das Erleben eines Lebens in seiner Welt. In der Unmittelbar-
keit dieses Sichfindens ist es fraglos da, ist die Realität, in die alles treten muß, was für
uns real werden soll.
 
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