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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0134
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

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1) Existenz ist nicht Sosein, sondern Seinkönnen, das heißt, ich bin nicht Existenz, son-
dern bin mögliche Existenz. Ich habe mich nicht, sondern komme zu mir.
Existenz steht ständig in der Wahl, zu sein oder nicht zu sein. Ich bin nur im Ernst
des Entschlusses. Ich bin nicht nur da, nicht nur der Punkt eines Bewußtseins über-
haupt, nicht nur der Ort geistiger Schöpfungen, sondern in diesen allen kann ich ich
selbst oder in ihnen verloren sein.
2) Schon das Bewußtsein überhaupt ist das Dreisein: das Subjekt des »ich denke« ist
auf Gegenstände gerichtet und ist darin auf sich selbst bezogen im Selbstbewußtsein.
In dieser Struktur liegt existentiell eine tiefere: Existenz ist das Selbst, | das sich zu
sich selbst verhält und darin sich auf die Macht bezogen weiß, durch die es gesetzt ist (Kier-
kegaard).124
Sie ist Freiheit (nicht die Freiheit der Willkür des Daseins, nicht das Einstimmen in
die Richtigkeit des Bewußtseins überhaupt, nicht die in Ordnungen des Geistes schaf-
fende Phantasie) auf eine unfaßliche Weise: sie ist Freiheit, die nicht durch sich selbst
ist, sondern die sich ausbleiben kann. Sie ist Freiheit nicht ohne die Transzendenz,
durch die sie sich geschenkt weiß.
Der Ort der Transzendenz oder die Transzendenz selbst ist das Allumgreifende und
als solches Verborgene, das für Existenz und allein für Existenz in der Erfahrung ihrer
Freiheit Wirklichkeit ist. Existenz ist nicht ohne Transzendenz. Dies ist gleichsam die
Struktur der Existenz, abgesehen davon wie Transzendenz im Raum des Bewußtseins
überhaupt und des Geistes auch immer vorgestellt und gedacht wird.
3) Existenz ist als der je Einzelne, als dieses Selbst, unvertretbar und unersetzbar.
In den Kategorien »das Allgemeine und das Individuum« scheint die Existenz als
das Individuum bestimmt. In den Kategorien »Wesen und Wirklichkeit« (essentia und
existentia) scheint die Existenz als Wirklichkeit bestimmt. In diese Kategorien aber ist
der Sinn der Einzigkeit und Unvertretbarkeit hineinzunehmen.
Das geschieht nicht, wenn das Allgemeine und das Wesen als das Erste, Bleibende,
eigentlich Seiende gilt, und das Einzelne als verschwindender Fall. Wenn man aber
umkehrt und sagt: das erste ist die Existenz, sie geht dem Allgemeinen, dem Wesen vor-
her - so ist auch das falsch, sofern der Einzelne er selbst nur durch das Allgemeine ist.
Sowie man unter Existenz den Gegenstand der Erfahrung als die Realität des Indivi-
duellen, der Einzeldinge versteht, die in der Welt vorgefunden werden, so ist das nicht
die Existenz des Selbstseins, sondern das brutale Vorhandensein von Einzelnem in der
Welt, das als Existenz fälschlich verklärt wird. Das Faktum ist noch nicht »Existenz«.
Das »individuum est ineffabile« gilt für beides. Aber die »Existenz« ist nicht Einzel-
ding, dessen Realität als objektiver Gegenstand unendlich ist, sondern Wirklichkeit,
die als Aufgabe ihrer selbst unendlich ist. Existenz ist nicht nur Vorgang in der Welt,
sondern Ursprung von anderswoher, der in der Welt zur Erscheinung kommt.
Sowie man die Existenz als das Umgreifende des je einzelnen umgreifenden Da-
seins nimmt, blickt man zwar tiefer als im bloßen Anschauen des gegenständlich vor-

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