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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0137
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

Für das natürliche Verhalten sind sie das erste. Sie sind nicht von uns hervorge-
bracht. Sie sind nicht bloßes Ausgelegtsein durch die Auslegung, die wir vollziehen.
Sie bringen uns hervor, die wir ein winziger Teil der Welt, ein verschwindend Vorüber-
gehendes in ihr sind, und die wir als Existenz uns nicht durch uns, sondern durch die
Transzendenz gesetzt wissen.
Das Umgreifende, das das Sein selbst ist, ist zugleich ein solches, das auf keine Weise
für uns Objekt wird. In der Welt gehen wir nach allen Seiten und finden in ihr ins Un-
endliche die uns erkennbaren Dinge. Die Welt selber im Ganzen ist nicht verstehbar
und nicht ihr angemessen denkbar, sie ist für unser Wissen kein Gegenstand, sondern
nur eine Idee als Aufgabe für das Forschen. Die Transzendenz aber erforschen wir über-
haupt nicht, wir werden von ihr - im Gleichnis gesprochen - berührt und berühren
sie als das Andere, das Umgreifende alles Umgreifenden.
8. Vernunft: Der Weisen des Umgreifenden sind viele. Nur die Formel vom Umgrei-
fenden alles Umgreifenden trifft, aber erreicht nicht das Eine.
ijjede Weise des Umgreifenden läßt in sich wiedereine Vielfachheit erscheinen. Da-
sein und Geist sind in der unübersehbaren Individualisierung unendlich vieler. Das
Bewußtsein überhaupt ist zwar dem Sinne nach eines, aber in der Erscheinung gebun-
den an die Zahllosigkeit der an ihm teilnehmenden denkenden Punkte. Existenz ist in
dem Zueinander und Gegeneinander vieler Existenzen. Die Welt ist zerrissen in die
Mannigfaltigkeit der Aspekte, Erforschbarkeiten, Gegenstandssphären. Die eine Tran-
szendenz spricht in der Vielfachheit der geschichtlichen Erscheinung der Chiffern für
die sie hörenden und sehenden Existenzen und ist, als das Eine der Wirklichkeit selbst,
unzugänglich.
Die Weisen des Umgreifenden schließen sich für uns nicht zu einem geschlosse-
nen Organismus eines einen Ganzen. Wir sehen in ihnen nicht die Harmonie einer
Vollendung. Ihre Vergegenwärtigung ist nur ein Werkzeug, uns im Sein, in dem wir uns
finden, nach den Weisen seiner Gegenwärtigkeit zu vergewissern.
Wir begreifen mit ihnen die Unabschließbarkeit des Ganzen und die Unlösbarkeit
des Problems des einen Ganzen für unser Erkennen.
Wir sehen die radikalen Widersprüche. Wir mögen sie in allen Weisen der Dialek-
tik (entweder in der im Widerspruch der Paradoxie sich öffnenden, oder in der im Kreis
der Vollendung sich schließenden, oder in der im Streit sich bewegenden Dialektik)
uns vor Augen bringen. Es bleiben die radikalen Spannungen. Wir gelangen an den
Grenzen zum Äußersten einer jeden Weise des Umgreifenden.
34 | Das Werkzeug weitet unser Bewußtsein aus in jede mögliche Sinndimension, aber
es ist als Werkzeug selber unabgeschlossen.
2) Indem wir dies alles aussprechen, fühlen wir doch den untilgbaren Willen zum
Einen, dorthin, wo alles zu allem gehört, miteinander in Verbindung steht, wo nichts
umsonst, vergeblich, überflüssig ist, wo nichts herausfällt und nichts vergessen wird.
 
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