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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0157
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

zu ungeheuer. Sie wollten entrinnen, sie konnten sich nicht entziehen. Die Ergriffen-
heit der Propheten ergreift noch uns als eine unter den Bedingungen jenes Zeitalters
ohne Unredlichkeit und ohne Wahnsinn mögliche Erscheinung.
Der tiefe Gehalt ihrer Worte, bis heute unüberboten, einige von ewiger Gültigkeit,
der wir uns nicht verschließen können, war ihnen selber, wenn sie nachdachten, wohl
54 unbegreiflich groß: dieser Sinn | konnte nicht ihre Erfindung, nicht Menschenwerk
sein. Sie beugten sich dem Größeren, Umgreifenden, als dessen Werkzeug sie sich fühl-
ten. Und was hätte es für die Menschen bedeutet, wenn sie bloß als ihre Meinung, ihre
Einsicht, ihre Forderung vorgebracht hätten, was gültig für alle war! Der Sinn dessen,
was sie zu sagen hatten, wäre als bloßes Menschenwerk verdorben. Er konnte die Men-
schen nur erreichen, wenn er von Gott selber kam. Nur durch Berufung auf Gott konn-
ten sie wagen, solche Dinge zu sagen.
Die Erfahrung solcher Offenbarung kann man deuten als Chiffer des Geheimnis-
ses: wie kann im Menschen der Sprung erfolgen aus dem Dämmer seiner gewohnten,
bewußtlosen Ordnungen zur Höhe der einfachen und wesentlichen sittlichen Gesetz-
gebung, - zur Einsicht in das Dasein von Mensch und Welt, - zum Entschluß in der
konkreten Situation, - zum Wissen von der Notwendigkeit der Umkehr aller? (Grie-
chen haben denselben Sprung getan ohne die Offenbarungschiffer, aber nicht weni-
ger mit der Erfahrung des Rätsels in diesem Sprung.)
Zu 2. Inspiration ist eine Erfahrung. In neuerer Zeit hat sie Nietzsche von sich be-
richtet: »Man hört, man sieht nicht; man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt; wie ein
Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit... ein vollkommenes Außersichsein
mit dem distinktesten Bewußtsein einer Unzahl feiner Schauder ... ein Lichtüberfluß
... ein Instinkt rhythmischer Verhältnisse ... das Bedürfnis nach einem weitgespann-
ten Rhythmus ist beinahe das Maß für die Gewalt der Inspiration ... Alles geschieht im
höchsten Grade unfreiwillig, aber wie in einem Sturme von Freiheits-Gefühl... Die Un-
freiwilligkeit des Bildes, des Gleichnisses ist das Merkwürdigste, man hat keinen Be-
griff mehr, was Bild, was Gleichnis ist. Alles bietet sich als der nächste, der richtigste,
der einfachste Ausdruck.«15
Aber solche Inspirationserfahrung mag ein Leitfaden für den Glauben an die Inspi-
ration der Bibel sein. Etwas ganz anderes ist jedenfalls der Prozeß der Kanonisierung
der heiligen Schrift, die im Laufe von Generationen aus einer umfangreichen Schrif-
tenmasse ausgewählt wurde. Die Fragen sind: Wird ausgewählt durch die in langer Zeit
Gewohnheit gewordene Wertschätzung breiterer Kreise, durch die Qualität der Schrif-
ten, durch Zufall? Oder wird dieser Prozeß selber als die von Gott gelenkte Auslese des
von ihm Inspirierten geglaubt?
Zu 3. Die Bezeugung durch die Apostel ist ihr Glaube und erzeugt durch Verkündi-
gung diesen Glauben. Paulus zeigt die Situation: »Wie aber sollen sie den anrufen, an
den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört
haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wo sie
 
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